Macabros 038: Mirakel - Phantom aus dem All
Valley Forest taumelte an dem Kistenstoß
vorbei. Wenn Lucy die Hand nach ihr ausstreckte, hätte sie sie
berühren können.
»Oh, mein Gott!« schrien die Gedanken Lucy Shermans, und
sie mußte die Hand gegen den Mund pressen, um nicht laut
herauszuschreien und die Unglücklichen auf ihre Lage aufmerksam
zu machen.
Linda! Die junge Frau war Linda Borell aus Valley Forest! Sie
hatte gestern ein Kind geboren. Die Ärzte mußten einen
Kaiserschnitt vornehmen. Linda Borell schwebte in Lebensgefahr –
und sie erhöhte diese Gefahr, indem sie schwach und
fieberheiß an dem Geisterzug in den Park teilnahm.
Da konnte Lucy nicht mehr an sich halten.
»Linda!« stieß sie leise und tonlos hervor.
»Linda, können Sie mich hören?«
Alles an ihr war gespannt. Lucy Sherman war bereit, aufzuspringen
und zu fliehen, wenn der geringste Anlaß gegeben war, der
für sie eine Bedrohung darstellte.
Linda Borell knurrte und fauchte wie ein Tier. Sie hatte den Zuruf
überhaupt nicht vernommen. Wie in Trance taumelte sie weiter.
Und sie mußte dabei entsetzliche Schmerzen haben, denn sie
hielt beide Hände auf ihren vernähten und mit Binden
umwickelten Leib.
Gelähmt vor Angst und Schrecken harrte Lucy Sherman in ihrem
Versteck aus.
Es kam noch schlimmer.
Zwei Männer trugen eine Leiche, deren Gesicht blau angelaufen
war, die Kratz- und Bißwunden aufwies. Der Körper dieser
Frau war nicht von dem weißen, kalten Strahlen erfüllt.
Die Tote wurde im Zug mitgenommen, und es gab eine zweite Leiche.
»Peggy!« entrann es Lucy Sherman tonlos.
Das Grauen schnürte ihr die Kehle zu und griff wie eine
Krallenhand in ihr Herz.
Peggys Kopf und Gesicht waren blutverkrustet. Irgend jemand schien
einen harten Gegenstand auf ihren Kopf geschmettert zu haben.
Peggys Augen waren weit geöffnet, ihr Nachtgewand hing
zerfetzt am Körper. Auch ihre Haut wies tiefe Kratzwunden auf
und – ein tiefes Loch unterhalb des Herzens, als ob sie in ein
Schwert gelaufen wäre.
Alle Patienten waren auf den Beinen und verschwanden im Park,
singend und schreiend, seltsame Bewegungen mit den Händen
ausführend. Diese Bewegungen stimmten präzise bei allen
überein, wie wenn ein unsichtbarer Puppenspieler gleichzeitig
Fäden zog.
Und mehr als geistlose Marionetten stellten diese Menschen nicht
mehr dar! Sie waren zu Figuren in einem grausamen,
unerklärlichen Spiel geworden.
Die verwüsteten, flachen Gesichter… den leeren Ausdruck
in den Augen dieser Menschen… das alles hatte sie schon mal
gesehen.
Es lief ihr siedendheiß über den Rücken.
Der Zustand Garry Browns – kurz nach dem Zusammenstoß
mit dem ›Licht‹! Da hatte er dummes Zeug gefaselt und
machte einen abwesenden, geistesgestörten Eindruck.
Garry Brown!
Ihn vermißte sie hier in diesem Zug der Gespenster.
*
Sie waren im Park verschwunden. Die schauerlichen Laute drangen
unheimlich durch die Nacht und gingen ihr unter die Haut.
Lucy überlegte, ob sie es riskieren sollte, jetzt in das
offenbar leere Hospital zu gehen, um festzustellen, ob Garry Brown
dort zurückgeblieben war und vor allen Dingen wie er
zurückgeblieben war!
Für sie gab es keinen Zweifel, daß Garry Brown mit
diesen Vorfällen in Verbindung stand.
Browns Kontakt mit dem rätselhaften Licht aus dem All hatte
einen Erinnerungsverlust und eine geistige Störung bei ihm
ausgelöst.
›Flammenzungen – intelligentes Licht – ein ferner
Planet, auf dem das Feuer regiert…‹ So und ähnlich
hatte er sich im Zustand geistiger Umnachtung
geäußert.
Andere Menschen waren mit ihm in Kontakt gekommen. Der Wahnsinn
– war ansteckend!
Der Gedanke daran erfüllte sie mit Grauen.
Dann war auch sie gefährdet! Sie hatte Kontakt zu Brown
gehabt, aber bis zur Stunde war ihr nicht bewußt, daß sie
sich ungewöhnlich benommen hätte.
Aber auch Brown ahnte ja nichts davon!
Um Lucy Shermans Lippen zuckte es. Langsam schraubte sie sich in
die Höhe und lauschte in sich hinein, ob sie sich irgendwie
veränderte, ob ihre Stimmung umschwang…
Nein! Sie fühlte sich bis auf ihre Angst und
Ungewißheit so wie immer.
Und sie war trotz der gespenstischen Ereignisse voller
Wissensdrang und wollte herausfinden, was hier gespielt wurde.
Sie warf einen kurzen Blick auf die weit offen stehende Tür.
Die Dunkelheit und die Ruhe in den Fluren und Räumen des
Hospitals zogen sie beinahe magnetisch an.
Aber sie gab diesem Drang nicht nach. Sie wollte erst etwas
anderes wissen: Wohin begab sich der schauerliche Zug und
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