Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen
Kampf
beweisen.«
»Was für ein Kampf?«
»Du wirst es noch früh genug erfahren. Dort, der Napf
enthält Speise. Es wird gut sein, wenn du genügend davon
ißt. Du wirst noch eine schwere Nacht vor dir haben.
Stärke dich!« Mit einem spöttischen Lachen zogen die
beiden Hexendrachen sich zurück, und Björn war um eine
Erfahrung reicher: sie konnten sprechen. Demnach waren sie mehr als
Halbintelligenzen, wie Ogh sie hingestellt hatte.
Hellmark nahm den Napf zur Hand, der auf dem Boden der Zelle
stand.
Die Speise roch nicht übel. Björn spürte Hunger,
aber innerlich wehrte er sich, etwas zu essen, das er nicht
kannte.
Er kostete, in dem er kurzerhand einen Zeigefinger in die dicke
Suppe steckte und vorsichtig daran leckte. Die Suppe schmeckte nach
Gewürz und Fleisch, und Hellmarks Appetit wurde angeregt. Er
ärgerte sich, daß es ihm schwer fiel, das so verlockend
Duftende so unappetitlich aus einem Blechnapf zu löffeln. Doch
nicht mal ein Löffel war dabei!
Er verspürte plötzlich einen Heißhunger, daß
er nicht mehr an sich halten konnte, setzte den Napf an die Lippen
und schlürfte die dicke Brühe und die Fleischbrocken. Er
hatte das Gefühl, seit Tagen nichts gegessen zu haben.
Als er den Napf absetzte, vernahm er Schlürfen aus der
Dämmerung. Er hielt den Atem an.
»Ogh?« fragte Björn leise.
»Bjoorn?« Es klang beinahe erleichtert. Die Stimme kam
von links. Die Gitter waren so eng, daß es unmöglich war,
den Kopf durchzustecken.
»Wie geht es dir, Ogh?«
»Ich fühle mich müde, Bjoorn… sehr
müde…«
»Du mußt mir einiges erklären, Ogh.«
»Gern.«
»Was weißt du über die Nacht der Hexendrachen? Was
passiert in dieser Nacht?«
»Weiß nicht, Bjoorn.«
Oghs Stimme klang sehr schläfrig, und auch Hellmark nahm
beiläufig eine zunehmende Schwere in seinen Gliedern wahr. Aber
er achtete nicht darauf. Er mußte mehr erfahren über das,
was hier vorging. Vielleicht hatten sie doch eine Chance, es dann zu
verhindern.
»Es ist die Nacht des Todes… das ist alles, was ich dir
sagen kann, Bjoorn.«
»Wer ist Tuur?«
»Er ist der große Magier der Tzschizz. Seine
Zauberkraft reicht für alle.«
Stille…
»Ogh?«
Er antwortete nicht mehr.
Hellmark zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen und
mußte dann selbst herzhaft gähnen. Das Verlangen zu
schlafen, wurde immer größer in ihm.
Er mußte gegen die Schläfrigkeit ankämpfen.
»Das Essen«, murmelte er. »Es hängt mit dem
Essen zusammen… verdammt, ich hätte es
nicht…«
Mit unsicheren Schritten taumelte er durch die Zelle. Mehr durch
Zufall kam er an das Fensterloch und starrte hinaus in die Arena
– und da war es ihm, als würde sich drüben ganz in der
Nähe des Baldachins etwas bewegen.
Er nahm schemenhaft die Umrisse eines hellen Lichtes wahr, aus dem
sich eine Gestalt schälte.
Er mußte zweimal hinsehen, um zu glauben, was er da sah.
Da drüben… das war kein Gaafh, das war kein
Tzschizz.
Ein Mensch?
Eine junge Frau mit schwarzem Haar und dem Körper einer
schönen Göttin stand dort drüben, und ein dunkelroter
Schleier wehte um ihren Leib, der durch den Stoff schimmerte.
Die Erscheinung war kürzer als ein Atemzug, und im
nächsten Moment nicht mehr existent.
*
Harry Frandon war schon früh auf den Beinen.
Obwohl er die Nacht schlecht geschlafen und schlimme Träume
hatte, stand er um fünf Uhr auf. Im Spiegel betrachtete er sich.
Von dem Abdruck auf seiner Stirn sah man nicht mehr die geringste
Spur.
Hatte er das mit Danielle de Barteaulieé auch nur
geträumt?
Seine Schuhe waren sauber, die Fäden, die er sich an den
Dornen gerissen hatte, ließen sich nicht mehr feststellen.
Alles Unsinn! Er hatte es doch gewußt. Seine Nerven hatten
ihm gestern einen schönen Streich gespielt.
Diesmal frühstückte er in der kleinen Pension, in der er
untergebracht war, und fuhr dann los.
Sein Ziel war nicht das Kap. Er wollte nach Perpignan. Er
verbrachte die beiden nächsten Stunden damit, die Anschrift
jenes Mannes ausfindig zu machen, der das Buch der Spukschlösser
und Geisterburgen in Frankreich, Irland und England zusammengestellt
hatte.
Maurice Lupec wohnte in einem kleinen gelben Haus neben einem
Café direkt am Marktplatz. Mittelalterliche Stimmung. Schon
saßen einige Männer draußen an den schmucklosen,
weißen Metalltischen und plauderten, tranken Kaffee oder
Rotwein.
Es waren einfach gekleidete Leute, hauptsächlich ältere
Menschen in zerschlissenen Hosen, abgetragenen Schuhen
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