Macabros 040: Tal der tausend Foltern
Blick wurde hart. Jegliches Leben schien aus seinem
Körper zu weichen. Der Anblick des Magiers lähmte ihn.
Nie zuvor hatte er ein ähnliches Wesen, ein ähnlich
erschreckendes Antlitz gesehen.
Der Körper Tamuurs bestand aus flachen breiten Bändern,
die straff zusammengewickelt waren. Sein Leib wurde von keiner
durchgehenden Hautschicht bedeckt. Der Kopf war breit und erinnerte
an die Form einer aufgeklappten Muschel. Das Gesicht war in zwei
verschiedenfarbige Hälften geteilt. Links schimmerte die
Muschelform in einem dunklen Orange, rechts in einem unheimlichen
Grün, wie es in der tiefsten Tiefe eines unerforschten Meeres
vorkommen mochte. Gerippte Ohren, die wie verkrüppelte
Echsenflügel aussahen, schmiegten sich eng an den
bemerkenswerten Kopf. Am unheimlichsten aber war das, was ihm
offenbar den Beinamen ›der Scharlachrote‹ eingetragen
hatte.
Aus dem breiten, haarlosen Schädel züngelten etwa
dreißig Zentimeter hohe Flammen, die einen ständig in
Bewegung befindlichen Kamm auf seinem Kopf bildeten. Die
Flammenzungen schimmerten in sämtlichen Rottönen und
verbreiteten zusammengenommen ein scharlachrotes Licht, das Tamuur
umgab.
»Tamuur steht vor dir«, fuhr der Unheimliche mit
unpersönlicher Stimme fort. »Fordere ihn zum Kampf wenn du
kannst.«
Siedendheiß stiegen Wut und Verzweiflung in Ka-To auf. Da
stand der verhaßte Feind vor ihm, mit dem er die Begegnung
gesucht hatte – und er war zu feige, etwas zu unternehmen. Die
Erscheinung Tamuurs traf ihn wie ein Keulenschlag. Sein Mut schwand.
Er war ein Feigling. Dabei hatte man seine Tapferkeit in Ullnak so
gerühmt.
Ein leises Stöhnen entrann den Lippen des Kämpfers aus
Ullnak.
Seine Rechte zuckte schneller zu den Slatos, als ein Auge es
verfolgen konnte.
Eines der magischen Messer lag plötzlich wie durch Zauberei
in seiner Hand. Er schleuderte es…
… wollte es schleudern…
In der gleichen Sekunde wuchs das Messer ins Riesenhafte bog sich
wie eine Sichel – und schlug Ka-To den Unterarm ab.
*
Ka-To spürte einen brennenden Schmerz, der seinen Körper
durchraste.
Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen.
Sein Arm löste sich langsam wie in der Zeitlupe und fiel zu
Boden. Das ins riesenhaft gewachsene Messer schrumpfte zu seiner
natürlichen Größe zusammen, und die sich
verkrampfenden Finger der abgeschlagenen Hand umspannten das
Salto.
Ka-To starrte auf den Stumpf seines abgeschlagenen Arms.
Kein Tropfen Blut kam daraus hervor. Der Arm war fein
säuberlich abgetrennt und an der Schnittstelle bereits
vernarbt.
»Tamuur ist nicht zu schlagen«, sagte sein
Gegenüber eisig. »Du mußt mir dankbar sein daß
ich dich nicht verbluten lasse. Ich gehe stets sehr
rücksichtsvoll mit meinen Opfern um. Jeder Tropfen Blut ist
kostbar jede Zelle enthält einen Baustein des Lebens, der meinen
Garten schöner vielgestaltiger und kostbarer macht. Gleichzeitig
erweitert er meine Macht über das Leben, das mir gehorcht, weil
ich es geschaffen habe. Die Mutigen, die es wagten, die Welt Tamuurs
zu verändern – haben alle das gleiche Los getroffen wie du.
Die schönen Frauen aus Ullnak leben in meinem Palast, die
anderen wurden zu kostbaren Gewächsen, die meinen Garten
verschönen.«
Mit Abscheu sah Ka-To, wie durch Tamuurs magische Kraft der
abgeschlagene Arm über dem Boden schwebte und von den Fasern
einer bizarren Pflanze, die ein Mittelding zwischen Seestern und
Busch darstellte, aufgenommen wurde.
Eine neue Form entstand. Die Zellen des Arms lösten sich auf,
wurden von dem bereits vorhandenen Gewebe aufgenommen – und nach
wenigen Augenblicken war das Werk Tamuurs vollendet, der zur
Schaffung einer neuen Lebensform nicht mal einen Finger krumm zu
machen brauchte.
So war der ganze Garten des Zauberers entstanden.
Er hatte seine Feinde nicht getötet. Er hatte ihr Leben nach
seinem Geschmack umgeformt.
Das neuerstandene Gewächs war um die Hälfte
größer geworden. Mitten in einem Kranz von Flimmerhaaren
befand sich nun eine sonnenblumengelbe Scheibe, aus der fünf
weiße Finger ragten, die sich im Rhythmus der Schlagbewegung,
welche die Härchen ausführten, öffneten und
schlossen… öffneten und schlossen…
*
»Was ist aus Aleana geworden?« Ka-To mußte sich
beherrschen, die Worte nicht herauszubrüllen.
»Der Tochter des Altor? Ich habe sie besonders gut
behandelt.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Du hast sie doch eben gesehen.«
»Es war ein Trugbild. Ich bin darauf hereingefallen. Ich
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