Macabros 042: Hades, Hort der Vergessenen
konnte, kam ihm ein Verdacht:
Danielle mußte sich plötzlich entschlossen haben, auf
eigene Faust etwas zu unternehmen.
Nach all dem, was sie gemeinsam erlebt und überstanden
hatten, verwunderte ihn das. Andererseits aber war sie frei und
Herrin ihrer eigenen Entschlüsse.
Eigentlich brauchte er nicht mal Angst um sie zu haben. Ihre
übersinnlichen Fähigkeiten waren die stärkste Waffe,
die man sich nur denken konnte.
Aber seltsam: diese Überlegung befriedigte ihn nicht.
Da steckte doch etwas anderes dahinter.
Unwillkürlich mußte er an Rha-Ta-N’my denken, mit
der Danielle auf Kriegsfuß stand. Die Dämonengöttin
hatte sich bisher erstaunlich ruhig und abwartend verhalten. Hatte
Danielle den Bogen überspannt?
Er wußte es nicht. Er wußte überhaupt viel zu
wenig über die Hintergründe und die erzwungene Freiheit,
die Danielle de Barteaulieé sich nach ihrer ruhelosen
Seelenwanderung gönnte.
Hatte Rha-Ta-N’my zugeschlagen?
Die Unruhe in ihm wuchs.
Seltsam fand er die Tatsache, daß das Schwert von seinem
Gürtel abgelöst worden war, gerade so, als ob jemand es
hatte mitnehmen wollen. Doch das war eben nicht möglich, da nur
seine Hand geeicht war, es zu führen.
Jemand war hier gewesen!
Der Gedanke daran veranlaßte ihn, den Boden genauer unter
die Lupe zu nehmen. Aber wenn es Spuren gegeben hatte, dann waren sie
jetzt verschwunden, weil der gleichmäßig über die
Wüste streichende Sand alles veränderte.
Und das sehr schnell…
Das erkannte er an der Stelle, an der er vorhin erwachte. Der
Abdruck seines Körpers war nur noch ein undeutlicher
Schemen.
Die Unruhe in Hellmark wuchs, und so versuchte er auf eine nur ihm
mögliche Weise, Danielles Verschwinden zu klären.
Er ließ seinen Doppelkörper entstehen. Mit dem konnte
er unabhängig von seinem Originalkörper jeden beliebigen
Punkt dieser Welt aufsuchen.
Es war ein Versuch wie das unkontrollierte Tippen bei
geschlossenen Augen mit dem Finger auf eine Landkarte, um auf diese
Weise den Zufall über ein bestimmtes Ziel entscheiden zu
lassen.
Sein Zweitkörper Macabros materialisierte irgendwo Hunderte
von Kilometern entfernt in einem anderen Teil der Wüste.
Auch hier war der Himmel tief schwarz-rot, und ein heftigerer
Sturm blies als am Rand. Es schien, als ob das Sturmzentrum sich hier
inmitten der Wüste befände. Hier waren die Dünen
doppelt so hoch, und das Geräusch des pfeifenden und
kreischenden Sturms schuf eine wilde, geisterhafte
Atmosphäre.
Macabros suchte kurz hintereinander mehrere, weit
auseinanderliegende Punkte auf.
Beim vierten Versuch stieß er auf eine andere Situation.
Eine dunkle Silhouette schob sich nur wenige hundert Meter von
seinem Materialisierungspunkt in den nächtlichen
Wüstenhimmel. Der Wind säuselte hier nur leise in Form
eines langanhaltenden, klagenden Geräuschs, das Ähnlichkeit
mit einer menschlichen Stimme hatte.
Macabros stand still.
Er starrte hinüber zu der dunklen Mauersilhouette, erblickte
Mauerreste und leerstehende Gebäude. Er ging lautlos darauf
zu.
Die groben, grau-beigen Steine bildeten eine verlassene
Ruinenstadt.
Es war der Ort, den er im Traum in der glatten Oberfläche des
jenseitigen Spiegels gesehen hatte!
Ein Zufall hatte ihn hierher geführt.
Er stand zwischen klobigen, zerfallenen Mauern. Die Straße
war grob gepflastert, und erstaunlicherweise bedeckte sie nur eine
hauchdünne, bernsteinfarbene Sandschicht. Es schien, als ob
dieser uralte, verlassene Ort selbst von den Elementen verschont
bliebe.
Wenn hier seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden kein Mensch mehr
lebte, dann hätte der Ort unter einer dicken Sandschicht
begraben sein müssen.
Verloren wanderte der einsame Besucher durch die Ruinenstadt. Alle
Straßen führten sternförmig auf einen gemeinsamen
Mittelpunkt zu: auf die große Pyramide der Toten!
*
Ein prophetischer Traum oder ein Besuch eines Geistes in einem
jenseitigen Zwischenreich erfüllte sich.
Hellmark hatte einen Punkt erreicht, der entscheidende Bedeutung
in seinem Denken und Planen und in seiner Mission gewann.
Zavho begegnen! Die Schwelle zur Unterwelt passieren! Das war nur
möglich im Innern der Pyramide.
Wieviel hundert oder tausend Kilometer entfernt sie von seinem
derzeitigen Aufenthaltsort als Hellmark lag, interessierte ihn
überhaupt nicht.
Er bediente sich eines Tricks, den er immer dann anwandte, wenn er
unter Zeitdruck stand oder wenn er anderweitig keine andere
Möglichkeit sah.
Er löste seinen
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