Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland
lag
schon etwas über zwei Jahre zurück. In dem betreffenden
Magazin erschien zu diesem Zeitpunkt eine Fortsetzungsserie über
Geisterburgen und -schlösser. Der Reporter war ein gewisser Arnd
Bandersch. Er hatte recht ordentliches Material zusammengetragen und
offenbar eingehend recherchiert. Er berichtete in dieser Fortsetzung
über das Manon-Castle, das einst von den unheimlichen Earls of
Manon regiert wurde.
Von denen war in Schottland die Legende im Umlauf, daß sie
Menschen verschwinden ließen, die in einem Gästehaus des
Manon-Castle übernachteten. Von dem Gästehaus des
Manon-Castle gab es eine Aufnahme aus früherer Zeit, als es noch
erhalten war. Der war eine aus der heutigen Zeit
gegenübergestellt. Da war das Gästehaus nur noch ein
Schutthaufen. In früheren Zeiten wirkte es beinahe anheimelnd
inmitten der zerklüfteten Felsen der Grampians.
Frank Morell überflog den Bericht. Er erfuhr einiges
über die Geschichte und die Gegenwart, hörte von Ed
Hopkins, dem »verrückten Cowboy«, der sich in den
Grampians seinen Jugendtraum erfüllte und das
Geisterschloß restaurieren ließ. Er steckte Millionen
hinein. Er konnte es sich leisten.
Sowohl der Berichterstatter Bandersch hatte im Innern des Castle
Aufnahmen gemacht, als auch ein schottischer Reporter namens John
Hiller.
Von dem stammte die Aufnahme, die einen Säulengang
zeigte.
Morell starrte wie in Trance darauf, und vor seinem geistigen Auge
stieg jenes Bild empor, das er in der letzten Nacht auf dem
Polaroid-Film sah, den Katja Manstein durch ihre Gedanken belichtet
hatte.
Es gab für ihn keine Zweifel.
Dieser Säulengang, der ganz typische Spitzbögen und eine
Formation zeigte, die er sich eingeprägt hatte, war identisch
mit dem, in den das Medium nach seiner geheimnisvollen
Entführung auftauchte.
Morell konzentrierte sich so sehr auf die Fotografie, so sehr auf
das Bild von letzter Nacht, daß er sogar Katja Mansteins
Gestalt zwischen den Säulen auftauchen sah.
Da erschauerte er.
Die Gestalt Katja Mansteins – stand nicht still. Sie bewegte
sich, bewegte ihre Lippen…
»Kommen Sie, Frank!« rief sie ihm zu, und er vernahm
durch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren ganz deutlich jede
Silbe. »Kommen Sie zu mir… in das Gästehaus des
Earl… ich warte auf Sie… ich habe eine Botschaft, die Sie
nur hier empfangen und verstehen werden. Hier ist die Stelle, wo Sie
den Kontakt zu den Geistern aufnehmen können, die auf ihren
Herrn warten!«
Die Stimme verhallte, und in die verwehenden Laute hinein mischte
sich im gleichen Augenblick nochmal Katjas Stimme. Diesmal lauter und
drängender.
Und das, was sie jetzt hervorstieß, ehe ihr Bild wie ein
Schemen zwischen den massigen Säulen verwehte, paßte
überhaupt nicht zu dem, was sie gerade zuvor gesagt hatte.
»Helfen Sie mir, Frank! Bitte, helfen Sie mir!«
*
Es hallte so fürchterlich in seinen Ohren und seinem Kopf
nach, daß er zusammenzuckte wie unter einem Peitschenhieb. Die
Stimme klang so verzweifelt, so entsetzt, daß er beinahe
körperlich das Grauen empfand, das Katja Manstein
erfüllte.
Bleich und irritiert blickte Morell auf.
Alexandra erschrak. »Was ist denn mit dir los?« fragte
sie tonlos. »Du siehst ja aus wie eine gekalkte Wand! Ist dir
übel?«
Morell brauchte drei Sekunden, um sich zu fassen. »Es ist
nichts… mir war’s für einen Moment lang
übel… es ist schon wieder vorüber.« Er
lächelte. Er blickte einen nach dem andern an. Sie hatten nichts
mitbekommen, sie hatten nichts gesehen und gehört. Katja
Mansteins Bild und Stimme hatten für seine Arbeitskollegen
überhaupt nicht existiert.
Morell glaubte zu wissen, was hier geschehen war. Im Augenblick,
als er sich mit seiner ganzen Geisteskraft auf Katja Manstein und die
Bilder konzentrierte, war es dem Medium gelungen, von ihrem
derzeitigen Aufenthaltsort aus für einige Sekunden eine
telepathische Botschaft an ihn abzusenden. Obwohl Morell selbst nicht
telepathisch begabt war, hatte die große mediale Reserve Katja
Mansteins dafür gesorgt, daß der telepathische Kontakt
zustande kam.
Morell faßte sich wieder sehr schnell und legte die
Nachdenklichkeit und die Beklemmung ab, die ihn sekundenlang in ihren
Bann gezogen hatte.
Er zog sich nach dem Ende der Pause in einen der Nebenräume
zurück, um – wie er sagte – sich ganz auf seine Arbeit
konzentrieren zu können. Er war derzeit mit einem besonders
kniffligen Fall beauftragt und behauptete, sich in der Gemeinschaft
nicht
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