Macabros 048: Die Parasitengruft
Es registrierte seinen Feind, der ihm
derart zugesetzt hatte.
Wie ein Berg wälzte sich das Ungetüm Hellmark
entgegen.
Der war noch immer mit dem spitzen, angebrochenen Metall bewaffnet
und bereit, diese wirkungsvolle Waffe auch zu benutzen, wenn es um
sein Leben ging.
Das Ungetüm stürzte sich schreiend auf ihn. Aber durch
das verletzte Auge sah es seine Umwelt perspektivisch verzerrt –
und so verpaßte es Hellmark und nahm zu spät wahr,
daß der einen Sprung zur Seite machte, das Bett herumzog und
den ihm entgegenspringenden Körper quasi zusätzlich noch
aus der Bahn warf und ihm Schwung verlieh.
Das Monster stürzte auf die Glaswand und durchbrach sie,
daß das Glas mit furchtbarem Getöse zersprang.
In den Haarbüscheln an dem Körper des Ungeheures blieben
Glassplitter hängen und bohrten sich teilweise in die weichen,
schwarzen Wülste im Augen- und Nackenbereich.
Draußen graute schon der Morgen.
Die ganze Nacht über mußte das Ungetüm schon durch
den Palast irren. Es hatte sämtliche Türen kontrolliert und
viele leere Räume durchwühlt. Fast am Ende dieser Nacht kam
es dann noch in das Gemach des Mannes, den die Herrscherin Shiane vor
Unheil hatte bewahren wollen.
Sie hatte ihm eines der Zimmer überlassen, die ganz hinten in
einem Gangwinkel versteckt lagen.
Hatte sie gehofft, daß das Monster nicht genügend Zeit
hatte, alle Räume zu durchsuchen, um vielleicht ahnend,
daß ein Mensch hinter dieser Tür schlief – den
Versuch zu unternehmen, die Tür einzurennen? Oder hatte Shiane
geahnt, daß ein Mann wie Hellmark sich nicht mit Worten
abspeisen ließ, daß er es auf einen Versuch ankommen
ließ? Die Sorge um sein Leben hatte jedoch sicher bei ihren
Überlegungen vorne gestanden.
Und nun, so kurz vor Anbruch des neuen Tages, wurde er doch noch
mit dem Grauen konfrontiert! Er fand es jetzt, da er die Dinge wieder
überblicken konnte, gar nicht mal so schlecht, daß es zu
dieser unliebsamen Begegnung gekommen war.
Wenn es ihm gelang, das Monster zu verscheuchen oder zu töten
oder bis zum Anbruch des Tages hier festzuhalten, vielleicht
erledigte dann die aufgehende Sonne den Rest. Was mit Dracula und
seinen Vampiren geschah, was mit den Untoten, deren Metier die Nacht
war – vielleicht hatten diese Gesetze auch hier ihre
Gültigkeit.
Die gespenstischen Geschöpfe der Nacht flohen vor dem
Tageslicht, das ihre Existenz auslöschte.
Das Monster brüllte und torkelte. Es bremste seinen Lauf und
schien zu erkennen, daß dies die falsche Richtung war,
daß der Gegner, den er bekämpfen wollte, seinem Zugriff
entflohen war.
Da setzte Hellmark alles auf eine Karte.
Er trat die Flucht nach vorn an und verstärkte, was der
Zufall ihm in die Hände gespielt hatte.
Seine ganze Kraft zusammennehmend, sprang er dem Ungeheuer
entgegen und versetzte ihm einen heftigen Stoß, daß das
Monster das Gleichgewicht verlor und über die niedrige
Terrassenbrüstung vier Stockwerke in die Tiefe stürzte, wo
sein Körper dumpf auf den steinernen Pfad klatschte.
*
Die massigen Monsterarme zuckten. Ein Zittern lief durch den
ganzen Körper. Der Kopf des Monsters fiel zur Seite, und ein
Blutfaden lief aus dem linken Mundwinkel.
Björn Hellmark spurtete los.
Er rannte durch das Zimmer, durch den Korridor und die
Treppenstufen nach unten. Im Schloß war es wieder
totenstill.
Weder die sieben verhexten Bediensteten Shianes noch die
Herrscherin selbst zeigten sich.
Wahrscheinlich schlief sie tief und fest hinter ihrer
verschlossenen Tür und wartete den Morgen ab, wo der Spuk wieder
ein Ende hatte. Aber wie Björn die Dinge sah, schien es so zu
sein, daß der Spuk möglicherweise für alle Zeiten zu
Ende sein konnte.
Er jagte die letzten Meter bis zu dem großen Portal, das er
weit öffnete. Kühl und frisch war die Morgenluft, die sein
erhitztes Gesicht traf.
Hellmark rannte, so schnell ihn seine Füße trugen, auf
dem steinernen Weg unterhalb der überstehenden Terrassengalerie
zu der Stelle, wo das Monster aus dem vierten Stock aufgeschlagen
war.
Es lag reglos an dem Platz. Seine massige Brust hob und senkte
sich kaum. Ein dumpfes Stöhnen drang über die schwarzen,
schrundigen Lippen, und das dunkle Blut quoll in kleinen
Stößen zwischen den Zähnen hervor.
Hinter den grünen, bewaldeten Hügeln stieg eine
schwache, bleich aussehende Sonne empor und ließ den
aufkommenden Morgen zu einem fahlen Grau werden.
Der Tag brach an, und mit ihm verging die Stunde des sterbenden
Monsters.
Aus dem
Weitere Kostenlose Bücher