Macabros 051: Skelettus, Fürst der Knochenburg
und musterten sie dann wieder. »Da ist doch
niemand…«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Schwester? Genau vor
uns… jetzt geht sie in den Wintergarten.«
Die grau-blauen Augen der Krankenschwester nahmen eine dunklere
Farbe an. Man sah förmlich, wie ihr Blick und ihr Gesicht hart
wurden.
»Jetzt befindet sie sich hinter dem Gummibaum, da können
Sie sie nicht mehr sehen.« Anka Sörgensen beschrieb die
Frau ganz genau, aber die Krankenschwester behauptete, daß sich
eine Patientin, auf die die Beschreibung paßte und die einen
solch auffälligen bunten Mantel trug, garantiert nicht hier auf
der Station aufhalte.
»Dann liegt sie eben auf einer anderen«, beharrte Anka
Sörgensen auf ihrem Standpunkt. Sie war etwas irritiert, aber
sie ließ sich das nicht anmerken. Sie konnte nicht verstehen,
daß die Frau an ihrer Seite die Patientin beim Hineingehen in
den Wintergarten nicht bemerkt hatte. »Kommen Sie!« sagte
Anka. »Machen wir doch gerade einen kleinen Spaziergang in den
Wintergarten.« Jetzt wollte sie es genau wissen.
Etwas störte sie an der ganzen Sache.
Die Krankenschwester ging an der Seite der rasch gehenden Anka
Sörgensen.
Die Tür zum Wintergarten stand offen. Hier gab es ein
großes Aquarium mit bunten, exotischen Fischen und eine
gemütliche Sitzecke zum Lesen und Entspannen und viele Pflanzen,
die in holzgemaserten Kübeln standen.
Im Wintergarten befand sich niemand. Die Tür zur angrenzenden
Loggia stand offen. Die fremde Patientin in dem buntbedruckten
Frotteemantel war offensichtlich nach draußen gegangen.
Da flammte das Signallicht über der Tür eines
Krankenzimmers der Station auf. Die Tür lag dem Eingang zum
Wintergarten und zur Loggia schräg gegenüber.
»Da braucht jemand Hilfe. Ich bin sofort wieder zurück,
Fräulein Sörgensen.«
»Natürlich, nehmen Sie sich nur Zeit, Schwester. Ich
warte draußen in der Loggia auf Sie.«
Die Krankenschwester verschwand in dem Raum, über dessen
Tür das Lichtsignal brannte, und Anka Sörgensen durchquerte
den Wintergarten. Sie trat hinaus in die Loggia.
Da war wirklich niemand.
Sie war beunruhigt.
Fing das Ganze schon wieder an? Mit umfassender Klarheit wurde sie
an die gespenstischen Bilder erinnert, die sie aus einer anderen Welt
empfangen hatte. Seit ihrem ›Besuch‹ in der Turmzelle
dieses Rani Mahay, der eindeutig ein Mensch gewesen war und ihr etwas
hatte mitteilen wollen, waren keine Situationen dieser Art mehr an
sie herangekommen.
Die tanzenden Skelette… der Herrscher in seiner
Knochenhalle… das alles paßte nicht zu der seltsamen Frau
aus Fleisch und Blut, die sie vor Stunden im Park angesprochen
hatte.
Anka Sörgensens Blick fiel nach unten.
Und dort unten – auf dem Weg, der von gepflegten Beeten,
kleinen Springbrunnen und Bänken gesäumt wurde, lief die
Patientin in dem buntgemusterten Frotteemantel.
Wie kam sie nach unten? Gab es hier von der Loggia aus eine
Treppe?
Anka beugte sich nach vorn.
Es knirschte unheimlich. Ein Zittern lief durch den Boden der
Loggia, Risse und Sprünge entstanden, als ob ein Erdbeben das
ganze Gebäude erschüttere.
*
Aber das war nicht der Fall.
Die Hauswand stand, der Boden rührte sich nicht. Die
Vögel zwitscherten, und die Menschen im Park verhielten sich wie
immer.
Die Loggia, auf der sie stand, war baufällig.
Sie zerbröckelte unter ihren Füßen und brach
ab…
*
Das Heer der unheimlichen Reiter löste sich aus dem
fluoreszierenden Stollen, der unter den Zaubergärten Tamuurs
hindurchführte.
Mit donnernden Hufen jagten die Reittiere hinaus in die Nacht. An
ihrer Spitze ritt Tamuur.
Der Flammenkamm auf seinem Kopf strahlte in einem grellen
Scharlachrot und veränderte die Nacht um sie herum.
Unmittelbar hinter dem Zugang zum Stollen reckte der Magier die
Hand, und sein scharfer Zuruf hallte durch die Nacht.
Die Reiter – mehr als fünfzig an der Zahl –
brachten die rabenschwarzen Tiere sofort zum Stehen. Schaum triefte
um die Mäuler der Pferde, die schwarzen Augen glühten wie
Kohlen. Die Männer in den flachen, ölig schimmernden
Sätteln waren alle in Lederkleidung mit Eisenbeschlägen
gehüllt.
Nur Tamuur nicht.
Er trug ein giftgrünes, locker fallendes Wams, dazu eng
anliegende, knallig rote Hosen, die wiederum in grünen Stiefel
steckten, die ihm bis oberhalb der Knie reichten.
»Weit kann er nicht gekommen sein. Er ist fremd hier, er
kennt sich nicht aus«, dröhnte Tamuurs Stimme durch die
Nacht. Seine beiden
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