Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
erschreckende
Dinge ereigneten.
»Schau dir das an, Thorwald!«
Sie hielt ihm die Zeitung unter die Nase.
»Das Bild… die Frau darauf…«, sagte sie
erregt.
Er sah das Bild. Es zeigte eine bildhübsche Person, etwa in
Ankas Alter. »Was ist damit, Anka?«
»Das ist Tina Marino, der neue Star in Filligans
Western-Filmen«, sprudelte es über ihre Lippen. Ihre Augen
glänzten fiebrig, die Hände zitterten. »Tina Marino
hat sämtliche Empfänge in London abgesagt. Sie sei
plötzlich erkrankt, heißt es. Näheres wurde nicht
mitgeteilt, Thorwald. Tina Marino! Nun weiß ich, wo ich dieses
Gesicht schon mal gesehen habe. Nicht im Fernsehen, nicht im
Kino… es war vorgestern abend, Thorwald… als die alte Eiche
umstürzte und ich die Vision von dem Fahrzeug hatte, das vor
einem Hotel hielt. Tina Marino stieg aus – und begegnete dem
Skelett. Sie muß einen Schock erlitten haben! Ich bin Zeuge des
Vorganges geworden, Thorwald – ich hielt mich stofflich dort vor
dem Hotel auf!«
*
Er zwang sich zur Ruhe und las den Bericht.
»Sie sprechen davon, daß Tina Marino in ihrem Hotel
– dem ›Baldwin-Hotel‹ im Londoner Strand –
weiterhin ihr Domizil aufgeschlagen hat. Wenn das so ist, wie du
sagst, Liebes: dann sind wir dem Geheimnis auf der Spur. Nun haben
wir wenigstens schon mal einen Anhaltspunkt.«
Er warf die Zeitung achtlos auf einen Stuhl und eilte hinaus in
den Flur.
Dort kam ihm gerade seine Mutter entgegen.
»Nanu, mein Sohn! Nur nicht so stürmisch. Du wirst doch
deine alte Mutter nicht umrennen wollen!«
Er beugte sich zu ihr herab, küßte sie schnell auf die
Wange und schob sie sanft zur Seite.
»Oh, oh, oh«, wunderte Frau Belman sich. »Jetzt
werden die alten Leute schon abgeschoben. Was ist denn in dich
gefahren?« Sonja Belman hatte eine lustige Stimme,
glockenklar.
»Ich muß telefonieren.«
»Ist das denn so eilig?« Sonja Belman schüttelte
den Kopf. Ihr silbern schimmerndes Haar war bereits perfekt
gekämmt. Sonja Belman war für ihre sechzig Jahre eine
gepflegte Erscheinung und wirkte wesentlich jünger.
»Ja, sehr.«
Er setzte sich mit dem Büro einer Fluggesellschaft in
Verbindung, und Frau Belman hörte, daß er sich um zwei
Tickets nach London bemühte.
»Wenn möglich noch heute. – Sehen Sie bitte zu,
daß es sich machen läßt. Linienmaschine ist
ausgeschlossen, meinen Sie? Eine Chartermaschine vielleicht. Das ist
uns gleich. Da gibt’s Schwierigkeiten? Höchstens, wenn
jemand seine Buchung rückgängig macht. Das leuchtet mir
ein… Eigentlich ist das nicht erlaubt? Aber es gibt Ausnahmen?
Nein, mit einem Ticket ist mir nicht gedient. Es müssen zwei
sein. Sie wollen das abklären? Ja, danke. Gut, ich gebe Ihnen
meine Rufnummer durch. Bitte, rufen Sie mich umgehend an!«
Er nannte die Zahlen und legte dann sofort auf.
»London?« hauchte Sonja Belman. »Du willst –
mit Anka nach London? Hab’ ich da richtig gehört?«
»Ja, du hast richtig gehört, Mutter.«
»Aber was wollt Ihr denn in London, Kinder?! Da ist doch um
diese Jahreszeit immer soviel Nebel! Hier diese herrliche, klare
Luft, aber… du hast sicher nicht London gemeint, Thorwald, nicht
wahr?« Sie ließ ihn gar nicht dazu kommen, eine Antwort zu
geben. »Ah«, sagte sie plötzlich, ihre Stimme hebend
und eifrig nickend, »jetzt verstehe ich! London ist nur die
Zwischenstation. Ihr wollt in Wirklichkeit weiter…«
Sie fuchtelte mit beiden Händen in der Luft herum, und
gebärdete sich wie eine in Rage geratene Schauspielerin. Das
Ganze wirkte geradezu amüsant.
»Aber nein, Mutter. Wir wollen nach London, das ist
alles.«
»Richtig. Und dann geht’s nach Gretna Green weiter. Das
liegt doch in Schottland, nicht wahr?«
»Gretna Green?« fragte Thorwald Belman. Im ersten
Augenblick begriff er nicht, was seine Mutter damit andeuten
wollte.
»Ja, ich meine Gretna Green! Das
Heiratsparadies…«
»Aber Mutter…«
»Aber, Thor, mein Sohn! Das hast du doch nicht nötig! Du
brauchst doch deine hübsche Braut nicht klammheimlich zu
heiraten. Meinen Segen habt ihr doch! Das ist doch gar keine
Frage.« Und zu Anka gewandt, fügte sie leise und etwas
schüchtern hinzu: »Er benimmt sich manchmal wie ein kleiner
Junge«, flüsterte sie, sich nach vorn beugend. »Dabei
ist er doch schon vierunddreißig, und es ist höchste Zeit,
daß er erwachsen wird. Schämt sich jetzt noch vor seiner
Mutter einzugestehen, daß er heiraten will!«
*
Es dauerte geraume Zeit, ehe das Mißverständnis
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