Macabros 052: Aufstand der Knochenmonster
hat ihr jeglichen Besuch
verboten.«
»Miss Marino ist nicht so krank, daß sie nicht ein paar
Minuten mit mir sprechen kann.«
»Dies zu entscheiden, überlassen Sie bitte
uns.«
»Aber es ist wichtig! Miss Marino wird Ihnen böse sein,
wenn Sie erfährt, daß Sie mich nicht zu ihr gelassen
haben.«
»Miss Marino hat nichts davon erwähnt, daß sie
Besuch erwartet.«
»Sie hat es noch nicht gewußt.«
Anka trat einen Schritt vor. Sie Hand vor dem hageren Detektiv.
»Es geht um Miss Marinos Leben«, wisperte sie. »Bitte
glauben Sie mir, es ist sehr wichtig, daß wir uns sehen…
Jetzt noch, ja. Unsere Begegnung duldet keinen Aufschub.«
Die beiden vor der Tür Stehenden blickten sich an.
»Es tut mir leid. Wir können unsere Anweisungen nicht
übertreten«, sagte der Sprecher wieder, der sich die ganze
Zeit über schon zum Wortführer gemacht hatte.
Anka wandte sich an Thorwald Belman.
»Gib mir einen Zettel und etwas zum Schreiben«, bat sie.
Und zu dem einen Detektiv gewandt meinte sie: »Würden Sie
ihr wenigstens eine kurze schriftliche Nachricht von mir
übergeben?«
»Das läßt sich machen,
selbstverständlich.«
Anka schrieb einige Zeilen auf das oberste Blatt eines
Notizblocks, riß es ab und kniff es in der Mitte zusammen.
»Bringen Sie ihr das bitte! Ich bin überzeugt davon,
daß Sie mich sofort hereinbitten wird.«
Der Detektiv verschwand.
Der andere war breitschultrig genug, um mit seinem Körper den
Eingang zu versperren.
Anka und Thorwald warteten.
Sie schwiegen.
Der Wächter, der mit dem Zettel Anka Sörgensen
fortgegangen war, kam zurück.
»Kommen Sie bitte«, sagte er ruhig. »Allein! Miss
Marino erwartet Sie zu einem Gespräch. Ihr Begleiter möchte
bitte draußen warten.«
Anka und Thorwald wechselten einen Blick.
»Aber wir hatten doch…«, warf der Chirurg ein. Er
wollte dieses schutzbedürftige Wesen nicht allein gehen
lassen.
»Mach dir keine Sorgen um mich.« Anka lächelte ihn
an. »Mir wird schon nichts zustoßen. Und wenn wider
Erwarten etwas sein sollte, drei starke Männer vor der Tür
werden das schon in den Griff bekommen. Ihr seid praktisch gleich zur
Stelle. Es ist beruhigend, das zu wissen.«
Die Tür wurde ihr spaltbreit geöffnet, und Anka
Sörgensen konnte die luxuriöse Suite betreten, in der
anheimelndes Licht und der Duft eines dezenten Parfüms sie
empfingen. Hinter ihr zog der Detektiv, der sie eingelassen hatte,
die Tür wieder ins Schloß. Auch er blieb
draußen.
*
Das Apartment, das Tina bewohnte, mußte man ohne
Übertreibung als wahrhaft königlich bezeichnen.
Schwere Teppiche, alte Schränke, wertvolle Polstermöbel
und Bilder bestimmten das Innere dieser Wohnung.
Es gab eine separate Diele, von der aus eine Tür in den
großen, herrschaftlich eingerichteten Wohnraum führte.
Ein Schreibtisch thronte in einer Ecke.
Tina Marino stand davor und blickte der Besucherin entgegen.
Die junge Schauspielerin, die durch die Rolle der »wilden
Jenny« über Nacht zu Ruhm, Ehren und Geld gekommen war,
löste sich von dem Tisch und kam der Norwegerin entgegen.
»Ich muß mich für mein Eindringen
entschuldigen«, sagte Anka nach der Begrüßung.
»Es ist kein Eindringen«, widersprach Tina Marino. Sie
sah frisch und ausgeruht aus. »Sie haben mich um ein
Gespräch gebeten, und ich bin dazu bereit.«
Sie hielt den Zettel in der Hand. »Sie haben mich immerhin
sehr neugierig gemacht«, lächelte sie. »Wenn mir
jemand schreibt: ›Sie sind nicht krank, ich weiß, was
vorletzte Nacht vor dem Hotel passiert ist, ich habe ihn auch
gesehen‹, dann ist das wohl ein ausreichender Grund, die
Geheimniskrämerei aufzugeben.«
Tina und Anka fanden sofort Kontakt und waren sich auf den ersten
Blick sympathisch.
Ganz am Anfang jedoch ließ Tina Marino trotz allem noch eine
gewisse Zurückhaltung und Mißtrauen erkennen.
»Was haben Sie genau gesehen, Miss Sörgensen?«
Anka konnte den Vorgang in allen Einzelheiten beschreiben.
»Ich war plötzlich an Ort und Stelle. Es war wie ein
Traum – denn logischerweise hätte ich mich in dieser
Sekunde, als die Dinge über die Bühne gingen, eigentlich in
meinem Land aufhalten müssen. Ich hatte ein übersinnliches
Erlebnis. Ich wurde Zeuge der Begegnung zwischen dem livrierten
Skelett und Ihnen. Das rettete mir gleichzeitig das Leben.«
Sie sprach sehr offen. Das war erstaunlich. Sie vertraute sich
dieser Fremden an, als wäre sie ihre beste Freundin.
Tina Marino quittierte diese Offenheit mit der
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