Macabros 053: Totenkopfmond
Erklärung konnte nur die Wirklichkeit
erbringen.
Der Tod des Mannes aus Durham würde Kreise ziehen… er
war ermordet worden… das ausgebrannte Wrack zwischen den
Bäumen würde spätestens im Morgengrauen entdeckt
werden. Die Maschinerie der Polizei würde auf Hochtouren
laufen.
Er mußte alles erzählen, auch wenn man ihn für
verrückt erklärte. Aber die Dinge, die er berichtete, waren
ja beweisbar! Sie hatten ihre Spuren hinterlassen…
Wieder das Rascheln. Ganz leise, aber ganz nahe.
Hal Fisher achtete nicht darauf. Aber er hätte es tun
sollen.
In der Dunkelheit unmittelbar zwischen dem Gras und dem Unkraut am
Straßenrand neben ihm bewegte sich ein geschmeidiger, matt
schimmernder Körper. Eine Schlange grau-braun, ohne besondere
Kennzeichnung. Diese Gattung hätte kein Zoologe identifizieren
können, weil er sie noch nie gesehen hätte.
Diese Gattung gab es nicht auf der Erde!
Es war einfach – eine Schlange, ein tausendfach verkleinertes
Abbild jener Echse, der Hal Fisher an diesem Abend als Skelett
begegnet war.
Die Schlange war und blieb ihm auf den Fersen…
*
Schon von weitem sah er das Licht.
In dem Gasthaus war offensichtlich noch Betrieb. Zwei
Fahrräder, ein Moped und ein alter, klappriger Ford standen
davor.
Gelächter, dumpfe Stimmen…
Männer unterhielten sich. Einer sagte irgend etwas, das nicht
für zarte Ohren bestimmt war.
Brüllendes Gelächter.
Dann eine Stimme: »John, noch einen von dem Selbstgebrannten.
Da hast du dich wieder selbst übertroffen.«
Die Worte hallten durch den Wald und waren deutlich zu
hören.
Die Nähe von Menschen beruhigte den einsamen Wanderer, der
erschöpft die Gaststube betrat.
Der Wirt war gerade dabei, eine unetikettierte Flasche zu
öffnen, als Hal Fisher kam.
Fragende Augen blickten ihn an.
Er war fremd hier. Die Menschen, die aus einer etwas weiter
entfernten Ortschaft zu stammen schienen, kamen offenbar öfter
zusammen. So’ne Art Stammtisch. Sie saßen alle
beisammen.
»Kann ich mal telefonieren?« fragte Hal Fisher.
Der Wirt nickte. »Aber selbstverständlich.« Er
musterte den Ankömmling.
John, der Wirt, war ein guter Menschenkenner.
»Sie sind zu Fuß gekommen. Ich hab’ Sie hier noch
nie gesehen«, begann er sofort leutselig. »Unfall
gehabt?«
»Mhm, ja. Es ist ein Zufall, daß ich überhaupt
hierher gefunden habe.«
Hal Fisher ging zum Ende der altmodischen, dunkelbraunen Theke,
die total verfleckt war und deren Holz schon viel Alkohol und Wasser,
aber niemals eine Möbelpolitur gesehen hatte. Gleich an der Wand
unterhalb eines vergilbten Prospektes, den eine Whiskyfirma gestiftet
hatte, deren Marke John grundsätzlich überhaupt nicht
führte, stand ein Telefon, das sich der alten Einrichtung
anpaßte.
»Wo ist es denn passiert?« interessierte John sich. Er
goß die Gläser ein. Randvoll. Da war er nie kleinlich. Das
Gespräch an der Tischrunde war verstummt. Die angetrunkenen
Männer – sechs an der Zahl – interessierten sich
weniger für das Würfelspiel, das sie bis zu seinem Eintritt
gespielt und weniger für die schmutzigen Witze, die sie sich
abwechselnd erzählt hatten. Was da zwischen John und dem Fremden
an Worten gewechselt wurde, das erweckte ihre Neugierde.
John stellte hörbar die Flasche auf den Tresen und wischte
sich seine speckigen Hände an der leinenen Schürze ab, die
er umgebunden hatte und die seinen feisten Bauch umspannte. John
hätte in der Statur, die er abgab, eher in einen Ring für
Schwergewichtsboxer gehört als hinter die Theke.
»Ich muß mal die Polizei sprechen«, sagte
Fisher.
»Da müssen Sie Inverness anrufen. Die sind für uns
zuständig.« John nannte ihm die Nummer.
Hal Fisher steckte seine Finger in das erste Loch der
Wählscheibe und drehte sie. Die zweite Zahl schon schaffte er
nicht mehr. Denn da ging’s los.
Einer der Leute am Stammtisch wunderte sich noch, daß
plötzlich die Tür des Lokals nach innen schwang.
Niemand kam herein.
Da kroch etwas…
»Ich werd’ verrückt!« entfuhr es einem der
Würfler am Tisch. »Eine Schlange!«
Die glitt blitzschnell und lautlos in den Raum.
Zwei Männer sprangen von den Stühlen auf.
Hal Fisher erbleichte, und das Telefon lag plötzlich wie ein
Bleigewicht in seiner Hand.
Die Schlange schnellte auf ihn zu.
Und während sie sich vom Boden löste wie ein Pfeil von
der Sehne, ging eine schauerliche Verwandlung mit ihr vor.
Sie wuchs, die Haut wurde durchscheinend und platzte lautlos wie
eine
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