Macabros 058: Oceanus, Geist der schwarzen Wasser
und
kräftig. Die Zwischenräume der Finger waren mit
Schwimmhäuten versehen. Undeutlich war der wuchtige,
furchterregende aussehende Fischkopf getroffen mit den
hervorquellenden Augen und dem geöffneten Maul, das nach Luft
schnappte.
Die Aufnahme war verrissen. Es war alles viel zu schnell
gegangen.
»Diesen kapitalen Hecht«, drückte Brenda sich
humorvoll aus, wahrscheinlich, um die eigene Erregung und
Ratlosigkeit zu überspielen, »habe ich auch unter Wasser
gesehen, Mike! Was ist das? Wem oder was sind wir da
begegnet?«
»Wenn ich das wüßte, Brenda, wäre mir wohler.
Davon hat jedenfalls bisher noch kein Mensch geschrieben, noch
niemand etwas darüber erzählt. Es gibt mehr in diesem
›Teufelsdreieck‹, als wir offensichtlich nicht mal
ahnen.«
»Es konnte wahrscheinlich noch nie jemand etwas über
dieses Geschöpf sprechen – weil derjenige oder diejenigen,
die ihm begegneten eben keine Gelegenheit mehr fanden, sich
darüber zu äußern. Was jene Menschen erlebten, die
nicht mehr zurückkehrten, weiß niemand. Wir aber haben
überlebt – auf rätselhafte Weise, Mike, das ist
richtig. Aber wir leben und können darüber sprechen und
können die Bilder…«
»Veröffentlichen?« setzte er ihre Gedanken fort,
noch ehe sie sie aussprechen konnte. »Zu früh, Brenda!
Unsere Leser werden wiehern vor Vergnügen. Das nimmt uns doch
kein Mensch ab! Wir haben ein Ungeheuer entdeckt, das gegen jenes von
Loch Ness eine Karikatur zu sein scheint. Wir haben gesehen und
gespürt, was dieses Wesen vermochte. Aber dies Bild allein ist
noch kein Beweis.«
»Es gibt noch einen anderen, Mike«, erwiderte sie leise
und sah ihn aus großen Augen an.
Ohne ein Wort zu sagen, steckte sie ihm ein weiteres Bild zu.
»Was ist denn das?« fragte Laumer. Im ersten Moment
erkannte er es nicht.
»Du mußt es ein bißchen weg von dir halten. Dann
wird es deutlicher.«
Zuerst schien es, als hätte Brenda mit ihrer Kamera nur die
aufgewühlte Wasseroberfläche fotografiert. Erst bei
genauerem Hinsehen war festzustellen, daß das aufgewühlte
Wasser eine bestimmte Form hatte. An manchen Stellen schien es
verdickt, an anderen transparent und dünn. Die hellen und
dunklen Streifen formten ein Gesicht, das entfernt Ähnlichkeit
an einen riesigen, vertrockneten Mumienschädel hatte. Wie
gigantische Fäden bildeten sich von dem Schädel ausgehende
Turbulenzen aus, die Wellen bildeten schwarze, dicke Gebilde, die
über dem Kopf zusammenschlugen und das Meer an dieser Stelle
bedrohlich verfärbten.
»Es scheint, als das ›das‹ hier sein eigenes Wasser
mitbringe«, entfuhr es Laumer.
»Oder an der Stelle, wo ›es‹ auftaucht, erst
entstehen läßt. Die Wellen umspülen nicht das Haupt
– sie werden durch den ausgetrockneten Kopf gebildet. Wenn man
genau hinsieht, kann man eine gewisse Ähnlichkeit mit dem
Gesicht auf der ersten Fotografie erkennen, findest du nicht auch,
Mike?«
»Mit etwas Phantasie, ja. Nur hier – auf dem zweiten
Foto, fehlt das Beiwerk. Ein und dasselbe Geschöpf? Ist es das
wirklich, Brenda? Dann ist überhaupt nichts mehr zu
verstehen.«
Mike Laumers Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Innerhalb weniger Minuten begegnet uns das gleiche
Unterseewesen, und es ist doch nicht dasselbe. Es hat zwei
Gesichter.«
Ihre Reise hinaus auf See hatte mehr Fragen aufgeworfen als
beantwortet.
Mike war trotz des zurückliegenden Geschehens voll neuen
Tatendrangs.
»Wir haben allen Grund, weiterzumachen, egal, was geschehen
ist – und was noch geschehen wird, Brenda.«
Er wäre am liebsten sofort wieder ausgelaufen. Aber er sah
ein, daß dies Wahnsinn war. Sie brauchten Ruhe.
Die wichtigsten Sachen nahmen sie mit von Bord und beschlossen,
nach einem erholsamen Schlaf im erstbesten Hotel hier in
Küstennähe im Morgengrauen gleich weiterzumachen.
Das Fremde lockte sie, und beide – Mike und Brenda –
wurden das Gefühl nicht los, daß sie in der Tat einen
Zipfel eines sensationellen Geheimnisses in der Hand hatten.
In einem der Mittelklasse-Hotels in Miami-Beach, im
»Sea-View«, bekamen sie zwei schöne Zimmer.
Brenda Sitgens fiel sofort in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
Mike Laumer konnte trotz Erschöpfung kein Auge schließen.
Er machte sich Notizen, heftete sie an die Fotos und verstaute alles
zusammen in einen großen Umschlag, den er verschloß und
unter sein Kopfkissen legte.
Gleich morgen früh wollte er diesen Umschlag mit den
»Beweisen« zu einem Notar bringen und dort
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