Macabros 058: Oceanus, Geist der schwarzen Wasser
alle Höllenfeuer spiegeln.
Etwas Satanisches haftete diesem Gesicht an. Schmale,
höhnisch grinsende Lippen! Das Gesicht war in der Farbe so
grün und violett wie Donovan Scains Haut.
Bestand hier ein Zusammenhang?
Mirakel wollte den Kopf herumwerfen. Es ging nicht. Es gelang ihm
gerade, aus den Augenwinkeln den Eingang wahrzunehmen, durch den er
gekommen war, vor dem Donovan Scain gestanden hatte. Jetzt – war
der Mann, der seit dreißig Jahren verschollen war,
verschwunden!
Mirakels Gesicht verzerrte sich. Es gelang ihm, seine Lage unter
der drückenden Lichtlast zu verändern.
Mysterion lachte schadenfroh. »Alles, was man sich vornimmt,
kann man eines Tages erreichen. Alles ist eine Frage der Zeit, eine
Frage des Lernens. Ich kenne deine Schwäche – ich
bekämpfe dich konzentriert mit der gleichen Kraft, die ich
gelernt habe anzuzapfen und zu lenken. Unsere erste Begegnung hat mir
gezeigt, wie ich dich bekommen kann. Mirakels Tod ist der Preis
für meine Freiheit und die Sympathie der großen, einst das
ganze Universum beherrschenden Rha-Ta-N’my. Die Zeichen stehen
auf Sturm. Der Orkan bricht bald los.«
Mirakel aktivierte seine Dyktenkräfte. Man sah ihm an, mit
welcher Kraft und Konzentration er versuchte, die Leichtigkeit
herbeizuführen, mit der er sich unter dem Einfluß des
legendären kosmobiologischen Dyktenkristalls normalerweise
bewegen konnte.
Er schaffte es, sich aufzurichten, blieb aber unter dem aktiven
Netz gefangen, das aus dem spinnwebähnlichen Gebilde mit
Mysterions Kopf und Geist gespeist wurde.
»Ich habe dich überlistet. Ich habe mich vor dir
verborgen und den richtigen Zeitpunkt abgewartet, um dich zu
überfallen.«
»Das paßt zu dir!« entgegnete Mirakel angestrengt.
»Hinterlist! Heimtücke! Sie sind dir eigen. Weil du den
fairen Kampf scheust. Wie alle deiner Brut.«
»Ein Sieg ist ein Sieg, egal wie er herbeigeführt wird.
Wie du sprechen diejenigen, die zu schwach sind, sich zu
wehren.«
»Vor dieser Gegenwehr hast du Angst. Deswegen hast du mich
abgelenkt.«
»Erraten! Es mußte dich irritieren, einem Menschen hier
zu begegnen, der so aussieht – wie er.«
»Es war eine Vision, nicht wahr? Er sah dir
ähnlich.«
»Nein, das ist ein Irrtum. Der Mann, den du als Donovan Scain
erkannt hast – war hier. Er bestand aus Fleisch und Blut und war
greifbar. Nun ist er dahin zurückgekehrt, um das Ende der Dinge
abzuwarten. Erst dein Tod – dann Hellmarks Tod, dann der
Untergang der Verräter und Abtrünnigen. Nichts wird
Rha-Ta-N’mys Armeen aufhalten. Ich selbst werde einen neuen
Körper erhalten und über die Weiten Atlantis’ und
Xantilons preschen, um die Welt so zu gestalten, wie sie ein
muß, um Rha-Ta-N’my zufrieden zu stellen.«
Mysterions Gesicht wirkte nicht nur durch seine Form und Farbe
teuflisch – sondern vor allem durch die merkwürdige
Substanz, aus der es bestand. Nicht nur bei näheren Hinsehen
waren die einzelnen, übergroßen Zellen deutlich zu
erkennen. Sie bewegten sich, blähten sich ständig auf,
wirkten schwammig und wurmartig, als ob dieses unfaßbare
Gesicht aus lauter Einzelteilen, wie ein Puzzlespiel, zusammengesetzt
wäre.
Mysterion war einst von einem fremden Stern gekommen. Auf dem Flug
nach Atlantis überlistete er die Mannschaft, die mit guten
Absichten gekommen war. Als einziger Überlebender erschlich er
sich das Vertrauen der damals Verantwortlichen auf der Insel der
Atlantiden, die Hüter eines großen Geheimnisses waren.
Mysterion wollte als Statthalter des Bösen die Macht an sich
reißen – und um dieses Ziel zu erreichen, war ihm jedes
Mittel recht. So versuchte er in seiner Gier und Überheblichkeit
auch die »Mutter der tausend und abertausend Gesichter«
– wie man Rha-Ta-N’my auch nannte – zu hintergehen. Er
wollte mächtiger sein als Rha-Ta-N’my, die für sich
die Macht beanspruchte. Sie durchschaute sein Spiel und schickte ihn
in eine nunmehr schon rund zwanzigtausend Jahre währende
Verbannung.
In der Verbannung hoffte er durch Menschen befreit zu werden. Er
nahm sich vor, denjenigen fürstlich zu belohnen, der ihm diese
Freiheit brächte. Er war bereit, Geheimnisse freizugeben, die
das Reich der Finsternismächte aus dem Dämonenuniversum ins
Wanken bringen konnten.
Aber niemand kam. Niemand fand das Gefängnis. Da wandelte
sich seine Hoffnung in Haß. Er begann die Menschen, die am
wenigsten schuld waren an seinem Schicksal, zu hassen, wie es nur ein
Unirdischer fertig bringen konnte.
Er näherte
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