Macabros 063: Die Feuerbestien aus Kh'or Shan
urwelthaften Umgebung loderten in ihrer unmittelbaren
Nähe Flammen auf.
Sie kamen – wie ein Mensch, der auf zwei Beinen ging –
auf sie zu.
Ein Geschöpf aus Feuer!
Susan Andrews sah zum ersten Mal in ihrem Leben eine Feuerbestie
aus allernächster Nähe.
Die äußere Schicht der Gestalt war ein Schleier, ein
Mantel, der sich in ständiger Bewegung befand. Rote und gelbe
Flammen züngelten über einen kompakten Feuerkörper,
der ganz genau in den Proportionen dem eines Menschen glich. Der Kern
dieser Gestalt – Brust, Hals, Beine, Kopf und Arme –
schienen aus geformter Lava zu bestehen. Die züngelnde Bewegung
hinter dem äußeren Mantel erfolgte dort langsamer und
träger.
Dies war nur eine Gestalt, die sich ihnen näherte. Aus dem
Rauchvorhang dahinter aber lösten sich noch mehrere solcher
Körper.
Sie bewegten sich mit erschreckender Schnelligkeit.
Ehe Susan und Phillip dazu kamen, die Flucht zu ergreifen –
waren sie schon umzingelt.
Wohin hätten sie sich wenden sollen?
Mechanisch wichen sie zurück. Ihnen blieb nur der Weg an die
»Nebelwand«.
Im Halbkreis vor ihnen waren die unheimlichen Fremden.
Susans und Phillips Bewegungsfreiheit war aufs äußerste
begrenzt. Drei Schritte blieben ihnen – nach hinten. Dann
standen sie mit dem Rücken zu jener undurchdringlichen Mauer,
der man nicht ansah, aus welch geheimnisvoller Substanz sie gebildet
wurde.
Die beiden Menschen starrten auf die Fremden, auf die Feuerbestien
aus Kh’or Shan…
Die Luft – die ganze Zeit über schon heiß und
stickig, wurde unerträglich zum Atmen.
Susan nagte an ihrer Unterlippe. Ihre Blicke irrten von einer
Gestalt zur anderen. Sie war wie erstarrt unfähig einen klaren
Gedanken zu fassen.
Da verharrten die Feuergestalten. Bis auf eine.
Die löste sich – und kam direkt auf sie zu!
Wie hypnotisiert richteten sich die aufgerissenen Augen des
braunhäutigen Mädchens auf das Fremde, Unfaßbare,
Unheimliche, das Schritt für Schritt näherkam.
Aus allernächster Nähe sah sie erst, wie fein der
Schleier aus rasch sich bewegenden, roten und gelben Flammenzungen
war, der den kompakten Kern des Menschlichen Körpers
ständig umkreiste.
»Neiiinnn!« Susans Stimme gelte an Phillips Ohren.
»Phillip! Der Sinn unserer Gefangenschaft… er wird mir
klar… diesen Mann… sehen Sie ihn sich doch an!« Die
Worte sprudelten nur so über ihre Lippen.
Der Franzose konnte diesen Mann nicht kennen, der sich ihnen
näherte, der in dieser Sekunde auf Tuchfühlung vor Susan
Andrews stand.
Dieser Mann war…
»Mike!« Mit schriller, sich überschlagender Stimme
schrie das junge Halbblut nur dieses eine Wort.
Die Feuerbestien machten Menschen – zu ihresgleichen. Sie
waren gekommen, um auch Susan und Phillip zu holen…
*
In dem einstmals verträumten Fischerort Marbella, in den sich
seit Jahren ein immer größer werdender Touristenstrom
ergoß, ahnte niemand etwas von den Dingen, die sich tausende
von Meilen entfernt im Pazifischen Ozean abspielten.
Ahnte wirklich niemand etwas? Gab es hier in diesem Dorf mit den
romantischen Winkeln und Gassen nicht etwas Fremdartiges,
Unbekanntes, das zumindest er zu spüren glaubte?
Rani Mahay war sensibel.
Als er die alten, ausgetretenen Sandsteintreppen zu der kleinen
Hotelpension »San Christoban« emporstieg, wurde der Inder
das Gefühl nicht los, daß etwas in der Luft lag.
Die Hotelpension lag noch im ehemaligen Zentrum Marbellas und
hatte nichts mit den Bungalows und Appartementwohnungen
außerhalb zu tun, die sich wie Trabanten um den Ort
gruppierten.
Das »San Christoban« war einfach, aber sauber. Ein
alter, hoher Schrank und eine gewaltige, handgeschnitzte und bemalte
Truhe, sowie riesige Kübel, die mit leuchtenden Blüten
gefüllt waren, fielen dem Besucher zuerst ins Auge, als er die
kleine Vorhalle betrat.
Die Wände waren frisch mit weißer Farbe getüncht.
Das ließ die ebenfalls frisch gestrichenen, braunen
Deckenbalken und Holzvertäfelungen in der Ecke des Raums, wo man
die kleine Rezeption eingerichtet hatte, noch stärker zur
Geltung kommen.
Der alte Portier trug einen silbergrauen Anzug mit aufgesetzten
Schulterstücken, die mit Goldlitzen umrahmt waren. Er trug eine
Schirmmütze mit den goldenen Initialen SC – »San
Christoban«.
Der Mann hinter der flachen und schmalen Rezeption war
schätzungsweise Mitte Sechzig.
Er hob den Blick von der Zeitung und sah den Besucher an.
»Buenos dias, Senor«, grüßte Mahay.
»Buenos dias«, erklang
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