Macabros 070: Eissturmland des Drachenkönigs
mittleren Tor. Da erst sah
Macabros, daß die Wandfläche dort durchlässig war wie
Nebel. Es gab keine Türflügel, die zurück hätten
weichen müssen.
Der Reiter ritt in den Dunst hinein, und Macabros löste sich
im gleichen Augenblick, als er ihn nicht mehr wahrnahm, von der Mauer
und materialisierte in unmittelbarer Nähe des beobachteten
Durchlasses.
Vorsichtig streckte er seine Hand nach vorn. Normalerweise
hätte man damit rechnen müssen, daß seine
Fingerkuppen gegen die graue und rauh wirkende Toroberfläche
stießen. Doch seine Hand tauchte ein wie in einen
Wasserspiegel.
Bevor Macabros sich dazu entschloß, dem schwarzen Ritter zu
folgen, kümmerte er sich erst um den Fremden, der von dem
schwarzen Todesboten hierher gebracht worden war.
Es war sofort zu sehen, daß der hagere Mann mit dem
rotblonden Haar tot war. Er war von einem Schwert durchbohrt
worden…
Danach tauchte Hellmarks Doppelkörper in das
durchlässige Tor ein, und im nächsten Moment war er umgeben
von einem grauen, wallenden Nebel, der sich lautlos wie eine Spirale
um sich selbst drehte.
Macabros passierte einen langen, engen Korridor, in dem ein
seltsam graues, fahles Licht herrschte, und gelangte auf diese Weise
in einen großen, runden Raum, der im ersten Moment aussah wie
ein Tempel.
Schlanke Säulen ragten in die Höhe, verloren sich im
Turm, der sich scheinbar unendlich über ihm im Nichts verlor,
und inmitten des Kreises, den die Säulen bildeten, befand sich
– wie außerhalb – dieses große, rote und
gezackte Auge, um das draußen die Leichen der Menschen und
Tiere gruppiert lagen.
Die eine Seite der Säulen wurde begrenzt von einer
halbkreisförmigen Mauer, die aussah wie eine Leinwand und eine
Ausdehnung von mindestens vierzig Meter Länge hatte.
Diese helle Wandfläche zeigte eine stumpfe, triste
Landschaft, die sich scheinbar in der Ferne verlor, eins wurde mit
dem Horizont und in ihrer Leblosigkeit und Öde ihresgleichen
suchte.
Die Landschaft sah aus wie auf einem fernen, der Sonne zu nahe
geratenen Stern, auf dem nichts wachsen konnte, der niemals Leben
tragen würde.
Zwischen den schroffen, schwarzen Felsen und den düsteren
Tälern gab es jedoch einen Platz, der von megalithartigen
Steinen umringt war, als würde hier gezeigt werden, daß es
sich um einen besonderen Ort zur Anbetung eines schaurigen
Götzen handelte.
Im Näherkommen schon erblickte Macabros, daß die
riesigen Megalithblöcke breite, fratzenhafte Gesichter bildeten,
die an überdimensionale Vögel erinnerten. Wer immer diese
steinernen Abbildungen geschaffen hatte – er war ein Meister
seines Fachs gewesen, auch wenn es sich noch so schaurig ausnahm und
das Vogelähnliche darin auf eine dämonische Weise verzerrt
war.
Macabros glaubte jedoch sofort zu wissen, wen diese Steine
darstellen sollten.
Rha-Ta-N’my!
Die Dämonengöttin war denen, die von ihr wußten,
bekannt dafür, daß sie es liebte, sich in der Gestalt
eines Vogels zu zeigen.
Der von den Blöcken umringte Platz diente dem schwarzen
Ritter, der darauf zutrabte, offensichtlich als Ziel.
Hier im Innern des eigenartigen Turmgebäudes schienen Raum
und Zeit auf seltsame Weise verschoben zu sein. Macabros hätte
nicht zu sagen vermocht, wie weit die helle, mit der düsteren
Landschaft bemalte Wand von ihm entfernt lag und wie lange er sich
schon hier aufhielt.
Der schwarze Ritter wurde im nächsten Moment eins mit der
Wand und erstarrte in der Bewegung.
Er sah aus wie eine Zeichnung, die von unsichtbarer Hand genau auf
den freien Platz zwischen den mit vogelfratzigen Steinen versehenen
Blöcken hingepinselt worden wäre.
Mitten in der Landschaft ein einsamer, schwarzer Ritter, den Kopf
hoch nach oben gereckt, in gerader Haltung, auf dem mächtigen
Pferd sitzend, schien er über die wie von einem Zauberer
geschaffene Landschaft hinwegzublicken in eine unbestimmte Ferne und
irgend etwas zu erwarten.
Vorsichtig kam Macabros näher, den wallenden Nebel und die
Säulen um ihn herum geschickt als Tarnung nutzend.
Er hatte eine Idee und fand sie beim Näherkommen
bestätigt.
Der schwarze Ritter sah nun nicht mehr nur aus wie ein Bild –
er war eines!
Er war zu einem Teil der gemalten Landschaft geworden, in die er
geritten war und wo die sieben vogelfratzigen Megalithblöcke,
die fast so hoch waren wie das Pferd, ihn bannten.
Der geheimnisvolle Todesbote der Apokalypta rührte sich nicht
mehr, und Macabros konnte ihn aus allernächster Nähe
beobachten.
Mit dem Erstarren
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