Macabros 074: Krypta der Regenbogen-Menschen
Hier – schau dir
das an, Björn…«
Mit diesen Worten nahm er die Herrentasche, die neben ihm auf dem
Boden stand, an sich, öffnete den Reißverschluß und
zog eine Brieftasche heraus. Darin lagen mehrere großformatige
Fotos, die er wortlos Macabros übergab.
»Wenn jemand zu mir sagt, daß sich der
Unglücksfahrer noch aus eigener Kraft aus dem Fahrzeug retten
konnte – den erkläre ich für verrückt«,
erklärte Richard Patrick.
Als Macabros die Bilder es Unglückswagens sah, konnte er
seinem Freund nur zustimmen.
Patrick warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ferguson
müßte längst da sein. Ich kenne ihn als einen
pünktlichen, zuverlässigen Mann… es ist nun eine
Viertelstunde über der Zeit.«
Mit diesen Worten griff er nach seinem Glas, das bereits wieder
leer war.
»Björn – darf ich dich zu einem Drink einladen? Bei
dieser Hitze ist man ja für jeden Tropfen Flüssigkeit
dankbar.«
Er deutete auf die Bar und packte seinen Freund am Arm, um ihn
mitzuziehen.
»Ich habe keinen Durst, Rich. Außerdem bin ich nicht
der, für den du mich hältst.«
Richard Patrick verdrehte die Augen. »Bei ›euch
beiden‹ weiß ich nie, woran ich bin. Du machst es einem
aber auch verdammt schwer, manchmal wünsche ich mir, so zu sein
wie du. Gerade bei diesem Wetter. Jemand, der nichts zu trinken
braucht, der nicht schwitzt, dem Hitze und Kälte nichts
ausmachen – der ist fein heraus.«
»Aber dem können wir ja abhelfen«, entgegnete
Macabros lächelnd. »Auf der anderen Seite würde ich
nämlich ganz gern einen Schluck zu mir nehmen. Aber davon
hätte mein anderes Ich mehr als ich. Gehen wir zur Bar, Rich!
Bei einem Drink können wir die Angelegenheit gründlich
besprechen.«
Als die beiden Männer sich der Bar unter dem Schilf dach
näherten, kam es zum Wechsel zwischen dem Zweitkörper
Macabros und dem Originalkörper Björn Hellmarks.
Ein einziger konzentrierter Gedanke auf der Insel Marlos, von
Hellmark gedacht, beorderte im Bruchteil einer Sekunde den
Zweitkörper auf die Insel zurück, und es kam zum direkten
Kontakt zwischen Hellmark und Macabros, der einfach notwendig war, um
den Sprung über die riesige Entfernung zu schaffen.
Nur wer jetzt aufmerksam Richard Patricks Seite im Auge behielt,
hätte erkannt, daß sich dort für die Länge eines
Atemzuges niemand befand, daß in der vor Hitze flirrenden Luft
der Körper des blonden, hochgewachsenen Mannes mit den
Zügen eines Abenteurers, sich ganz flüchtig nur wie ein
Schemen zeigte.
Man konnte es für Hitzeflimmern halten, das auf dem Betondach
des Hotels lag.
Im nächsten Moment nämlich war der Körper wieder
klar zu sehen, obwohl es schien, als wäre er unmittelbar davor
doppelt zu erkennen gewesen.
Dies war auch der Fall. Björn Hellmark war, wollte er sich
auf diese Weise von einem Ort zum anderen versetzen, immer auf die
Hilfe seines Doppelkörpers angewiesen.
Er löschte seinen Zweitkörper aus und stand nun aus
Fleisch und Blut, wie er leibte und lebte, neben seinem Freund
Richard Patrick, der diesen plötzlichen Körperaustausch
mehr unbewußt, denn bewußt mitbekommen hatte.
»Jetzt kennen wir uns schon so lange, Björn«, sagte
er leise. »Aber ich kann mich einfach nicht daran
gewöhnen…«
An der Bar nahmen sie einen Drink ein und erörterten in aller
Offenheit das Geschehen, das sich in der Nähe von Sykesville und
Baltimore ereignet hatte und um dessen Aufklärung sich nicht nur
die Polizei, sondern auch Richard Patrick und sein Stab von
Mitarbeitern bemühte.
»In diesem Zusammenhang ist interessant, daß Mrs.
Robertson einen Privatdetektiv beauftragt hat, nach dem angeblichen
Verschwinden ihres Mannes zu fahnden. Ich neige dazu, anzunehmen,
daß es sich sowohl im Fall Jennifer Arnes wie auch in dem
Harald Robertsons um ein Ereignis handelt, das wir mit der lapidaren
Bezeichnung ›spurlos verschwunden‹ einordnen können.
Zwei Fälle innerhalb weniger Stunden und an fast einunddemselben
Ort, lassen aufhorchen, so etwas gab es bisher noch nie. Die Fakten
sind noch frisch. Die Wahrscheinlichkeit, da weiterzumachen, wo
gezwungenermaßen aufgehört wurde, schätze ich sehr
hoch ein. Ich versuche inzwischen alles über jene Jennifer Arnes
herauszubekommen. Was für ein Mensch war sie? Womit hat sie sich
beschäftigt? Wer waren ihre Freunde – außer jenem
Percy Morgan, mit dem ich ebenfalls ein Gespräch suchen werde.
Gibt es eine – und sei sie auch noch so gering –
Gemeinsamkeit zwischen Jennifer Arnes und
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