Macabros 074: Krypta der Regenbogen-Menschen
Harald Robertson? Oder hat
das Schicksal einfach blindlings zugeschlagen? Haben sich in einem
bestimmten Moment die Ausläufer zweier Universen berührt
und ist in diesem Augenblick gewissermaßen ein Loch zwischen
diesen beiden so unterschiedlichen Gebilden entstanden, so daß
zwei Menschen innerhalb weniger Stunden durch die gleichen oder
ähnlichen Ereignisse kurzerhand verschwanden?«
»Wenn es so ist, dann gehört dies einfach in die Sparte
›übernatürliche Abläufe‹, an denen wir
nichts ändern können«, murmelte Björn. »Wenn
jedoch dämonische Geisterkräfte dahinterstecken, wenn hier
etwas bewußt gezielt gesteuert wird, um unsere Aufmerksamkeit
zu erregen, dann sieht die Sache schon anders aus.«
Richard Patrick nickte. »Ich neige eher zum zweiten. Und auch
die Begegnung mit Ferguson wird zeigen, daß ich mit meiner
Vermutung richtig hege. Wo er nur bleibt?«
Der Verleger blickte sich um. Auf der Dachterrasse war alles
unverändert. Aus dem Lift trat gerade ein Kellner, der einige
Schalen mit Speiseeis brachte.
»Eigentlich müßte sich das ganz schnell
feststellen lassen«, warf Björn Hellmark ein.
»Wie meinst du das, Björn?«
»Man müßte einfach dorthin gehen, wo Jennifer
Arnes verschwand, wo auch Harald Robertson spurlos untertauchte. Wenn
diese Stellen gewissermaßen > verseuche sind – so
möchte ich es mal bezeichnen –, müßte sich der
Vorgang beliebig oft wiederholen lassen, nicht wahr?«
Nach Hellmarks Worten herrschte einige Sekunden lang betretenes
Schweigen. Man sah Richard Patrick an, wie es hinter seiner hohen
Stirn arbeitete.
»Dieser Gedanke hat etwas für sich«, antwortete er
schließlich geistesabwesend. »Aber – ihn
auszuführen dürfte nicht ganz ungefährlich sein. So
wie früher schon Gegenstände und Menschen verschwanden, wie
es immer wieder zu rätselhaftem Verschwinden auch heutzutage
kommt, würde derjenige, der versuchte, einen solchen Vorgang zu
provozieren, ebenfalls untertauchen, und man würde nie wieder
etwas von ihm hören. Außerdem gibt es dabei einen kleinen
Schönheitsfehler, Björn. Denken wir doch daran, daß
man versucht hat, die Verschwundene zu finden. Nicht nur vor drei
oder vier Tagen, auch in der Zeit davor, wo sich derartige
Phänomene zeigten. Percy Morgan hat ausgesagt, daß er
stundenlang auf der Wiese irrte und er gerade die Stelle, wo seine
Freundin Jennifer sich in Luft auflöste, immer wieder abgetastet
und aufgesucht hat. Ohne Ergebnis! Er verschwand nicht. Weshalb
nicht, Björn?«
»Die Antwort darauf ist ganz einfach, Rich. Offensichtlich
sind bestimmte Situationen, die niemand von uns kennt, dafür
maßgebend. Zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen ganz
bestimmte Umweltbedingungen oder – um es genauer zu bezeichnen
– Bedingungen im Bereich jener anderen Universen, die das unsere
streifen, vorhanden sein. Nur dann kann das ausgelöst werden,
was passiert ist. Ich habe mich mit diesen Phänomenen schon seit
langem befaßt. Es steht fest, daß Gegenstände und
Menschen, die heute verschwanden, nach Wochen und Monaten, manche
sogar nach Jahren, doch wieder auftauchten, ohne daß sich
herausfinden ließ, wo sie sich in dieser Zeit aufgehalten
haben. Man kann sich das nur so erklären, daß die gleiche
Kraft, die Gegenstände und Menschen aus unserer Welt
herauslöst, auch im umgekehrten Sinn wieder wirksam wird. Warum
dies manchmal und nicht immer geschieht, warum es überhaupt
geschieht – das alles sind Fragen, die sich möglicherweise
nie beantworten lassen. Es sei denn, daß uns einer eine Art
Antwort gibt…«
Richard Patrick wußte sofort, auf wen sein Freund Björn
Hellmark anspielte. Das war Al Nafuur, der geheimnisvolle
Geistpriester, der den Untergang Xantilons vor mehr als
zwanzigtausend Jahren mitmachte und in einem Reich zwischen Diesseits
und Jenseits seine geistige Existenz fortführte. Von Fall zu
Fall nahm Al Nafuur, der Priester der › Weißen Kaste
‹ Xantilons Kontakt mit seinem Schützling Björn
Hellmark auf. Er hatte sich als ein sehr humoriger Mann erwiesen, der
zu manchem Scherz aufgelegt war und der Hellmark – wenn es in
seiner Macht stand – wichtige Hinweise und Intuitionen gab, die
er ihm auf telepathischem Weg mitteilte.
Doch zu diesem rätselhaften Phänomen, das die
Gemüter auch jener berührte und beschäftigte, die
nicht direkt damit konfrontiert wurden, die hin und wieder etwas
hörten oder in Zeitschriften lasen – zu diesem
Phänomen hatte Al Nafuur sich bis zur Stunde
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