Macabros 077: Zitadelle der Grausamen
grauenhaft gekennzeichnete Gesicht heraus. Es wäre
nur durch ein Tuch oder eine Maske zu verbergen gewesen.
Fast schien es, als würde dem nächtlichen Gast in diesem
Augenblick der Gedanke durch den Kopf gehen.
Die Hand des Mannes verschwand in der rechten Hosentasche und
zupfte die zusammengefaltete, schwarze Gesichtsmaske hervor, die er
sich überstülpte.
In der Maske befanden sich lediglich Schlitze für die
Augen.
Rechnete er damit, jemand in der Hütte anzutreffen, vor dem
er sein wahres Gesicht verbergen mußte?
So jedenfalls sah es aus.
Der Unbekannte stieß die Tür nach innen.
Genau in der Nische dahinter lag das flache Kissen, auf dem sonst
Rocky seinen Platz hatte.
Doch der Hund war nicht mehr da. Er war verschwunden wie die
Menschen, die dem Knochenmann begegnet waren…
Man merkte, wie der Mann in Schwarz einen Moment zögerte,
seinen Fuß ins Innere des Hauses zu setzen.
Offensichtlich hatte er den Hund erwartet.
Der unheimliche Ankömmling schien noch nicht bemerkt zu
haben, daß sich seit seinem letzten Besuch in der vergangenen
Nacht Grundlegendes geändert hatte.
War ihm tatsächlich der verwüstete Platz vor dem Haus
entgangen?
Eine halbe Minute verstrich.
Dann erst löste der Schwarze sich von der Hauswand,
überschritt die Türschwelle und durchquerte den
handtuchschmalen Korridor.
Die Dielen untern den Füßen des Besuchers knarrten.
Er erreichte die Schlafzimmertür und öffnete sie
vorsichtig einen Spalt.
Die Betten waren leer.
Den Eindringling befiel eine gewisse Unruhe.
Irritiert blickte er sich um, als suche er etwas Bestimmtes.
Wie magisch angezogen, näherte er sich dem Einbauschrank und
öffnete dessen Tür.
In einem Fach fand er, was er suchte. Den langen, schwarzen Stab
mit den geheimnisvollen Zeichen darauf.
Der Maskierte ging um das Bett herum und legte den Stab wieder an
die Stelle, wo ihn Eve Finigan in der letzten Nacht fand.
Das geheimnisvolle Objekt war von dem Unbekannten nicht verloren,
sondern absichtlich hier deponiert worden.
Er legte ihn wieder in eine bestimmte Stellung und zog sich dann
zurück, indem er aufmerksam in die Runde blickte.
War die magische Wirkung, die er bezwecken wollte, schon
sichtbar?
Ja!
Die glühenden Augen des Mannes schienen die Fähigkeit zu
haben, wie Katzenaugen die Dunkelheit zu durchdringen.
Die Wände des Zimmers befanden sich nicht mehr im Winkel, die
Decke wirkte seltsam schräg, als hätte sie sich
verzogen.
Das ganze Zimmer war aus dem Lot geraten, wirkte perspektivisch
verzerrt und auf eine seltsame Weise unheimlich und
bedrohlich…
Die Atmosphäre war verdichtet, als würde irgend etwas in
der Dunkelheit lauern wie eine Raubkatze, die nur darauf wartete, ihr
Opfer anzufallen.
Der Mann mit der schwarzen Kleidung und der Gesichtsmaske
verließ eilig die Hütte, klappte die Tür hinter sich
ins Schloß und lief den Weg zurück, den er gekommen
war.
Wieder blickte er weder nach links noch nach rechts, achtete nicht
auf die Spuren der Zerstörung und auf das Blut, das an den
Steinen, der Leinwand und dem zersplitterten Holz der Stühle
klebte…
Er hatte es eilig. Er lief bergan, teilte die Büsche und
verschwand hinter dem dichten, raschelnden Laub. Etwa zehn Schritte
hinter der Buschwand war der Boden mit seltsamen Zeichen bedeckt.
Sie bestanden aus zusammengelegten Hölzern und Steinen. Wenn
man genau hinsah, erkannte man die Ähnlichkeit mit jenen Runen,
die sich auf dem schwarzen Stab befanden, der nun wieder an alter
Stelle im Schlafzimmer der Hütte lag.
Der Platz abseits der Buschgruppe lag versteckt hinter einem
vorspringenden Erdwall und bot ein hervorragendes Versteck.
Außer den Hölzern waren dicke Steine aufgeschichtet,
die annähernd ein Achteck ergaben. Hochgebaut hätten sie in
etwa jene perspektivisch verzerrte Räumlichkeit ergeben, wie sie
typisch waren in der geheimnisvollen Zitadelle.
Die Zitadelle…
Seit genau zweieinhalb Stunden war hier in den Bergen, in
unmittelbarer Nähe zur mexikanischen Grenze, die Welt nicht mehr
in Ordnung.
Aus dem Nichts heraus war ein massives, bedrückendes Bauwerk
entstanden, als hätten Geisterhände es in kürzester
Zeit errichtet.
Die Menschen, die davon wußten, hatten keine Gelegenheit
gefunden, davon zu berichten.
Und der geheimnisvolle Maskierte, der den Mittelpunkt seiner
magischen Figur aufsuchte, schien kein Interesse daran zu haben,
jemand darauf aufmerksam zu machen.
Er murmelte beschwörende, unheimlich klingende Worte, hockte
sich
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