Macabros 077: Zitadelle der Grausamen
Und alle Fremde sind Feinde!«
Eine Minute später lag Björn Hellmark über dem
Rücken eines Pferdes, und der Ritter spornte sein Tier zu
großer Eile an, um den Fremden nach Möglichkeit noch
lebend auf die Burg zu bringen, damit man im Verhör herausfand,
woher er kam und wer er war…
In scharfem Galopp jagten die Reiter querfeldein, zurück auf
den Pfad, der zur Burg führte.
Erst aus allernächster Nähe war zu erkennen, daß
sich kleine, dunkle Häuser in der schützenden Nähe der
massigen Burg befanden. Die holprigen Gassen mit dem
Kopfsteinpflaster waren dunkel und eng, die Gebäude standen
verwinkelt, und die ganze Anlage vermittelte einen mittelalterlichen
Eindruck.
Von all dem bekam Björn Hellmark nichts mit.
Der tief eingedrungene Pfeil hatte eine blutende Wunde verursacht,
die keiner der Berittenen verband oder sonstwie behandelte.
In ihren Augen war dieser blonde Unbekannte ein Eindringling, ein
Feind, der etwas im Schild führte, den man bekämpfen
mußte. Man brauchte keine Rücksicht auf sein Leben und
seine Gesundheit zu nehmen.
Der vorderste Reiter mit Hellmark quer über dem Rücken
des Pferdes erreichte das schwere, von bewaffneten Wächtern
flankierte Tor.
Die beiden Torhälften wurden aufgestoßen, so daß
man gleich in den großen, schattigen Innenhof reiten konnte, wo
sich allerlei Volk versammelt hatte.
Männer, Frauen und Kinder bildeten eine Gasse, durch die die
Ankömmlinge ritten.
Links im Schatten lag ein schwerer Ziehbrunnen, aus dem zwei
Bewohner der Burg in hölzernen Kübeln Wasser entnahmen. In
einer Ecke unter einem Vordach hämmerte ein Schmied an einem
Schwert, dessen grobe Form schon zu erkennen war. Die Glut der Esse
spiegelte sich auf dem verschwitzten Gesicht des muskulösen
Mannes, der mit seiner Arbeit innehielt und den Reitern nachsah, die
zum Wohntrakt des Fürsten ritten.
Dort wurden sie schon erwartet.
Mit rauher Hand wurde der reglose, verletzte Hellmark Treppen
emporgeschleift, durch lange Korridore gezerrt und dann dem
Fürsten vor die Füße geworfen, der arrogant auf ihn
herabbückte.
»Ein eigenartiger Fremder! Ich habe nie einen Mann dieser Art
gesehen… Wo mag er herkommen?«
Er blickte sich in der Runde um. Seine Berater und Vertrauten
waren ebenfalls anwesend.
Einer sprach über die merkwürdigen
»Beinkleider«, die der Blonde trug. Ein anderer mokierte
sich über die Größe des Mannes. Er müsse aus
einem Land stammen, das bisher niemand kenne.
Der Burgherr ließ einen Arzt rufen. Erst jetzt wurde
Hellmarks Wunde versorgt. Kühle Kräuter und Blätter
wurden auf die gereinigte Haut gelegt und dann mit einem Tuch
abgedeckt.
Fest und stramm zog man den Verband.
Der Mediziner träufelte ihm einige scharf riechende Tropfen
auf die Zunge.
Von dieser Minuten an kam Hellmark zu sich, nahm seine Umwelt aber
nur wie durch einen dichten Schleier wahr.
Er hörte die Worte, und es fiel ihm schwer, sie zu
verstehen.
Deutsch wurde gesprochen – aber auf eine Weise, wie sie heute
kaum mehr ein Mensch verstand.
Siedendheiß durchflutete es ihn.
Es war die deutsche Sprache, wie sie im Mittelalter der
Erdgeschichte gesprochen wurde!
Es stimmte also doch, wie er vermutet hatte. Durch den
Einfluß der magischen Klammern war er von den Freunden getrennt
und in eine andere Zeit geschleudert worden.
Er wurde geschubst und getreten. Man behandelte ihn nicht
sanft.
Immer wieder schoß man Fragen auf ihn ab.
Björn bemühte sich trotz der Schwäche Rede und
Antwort zu stehen. Für die anderen, die ihm zuhörten, war
seine moderne Sprache, war das Deutsch des zwanzigsten Jahrhunderts,
ebenso unverständlich.
Einmal war ganz deutlich die Rede von einem Schwert. Er erkannte
es mehr aus der Gestik und dem Gebaren als den Worten, die man zu ihm
sprach.
Er konnte sich denken, was nach dem heimtückischen
Überfall auf ihn in etwa geschehen war.
Man hatte ihn abtransportiert. Vielleicht hatte einer derjenigen,
die ihn fanden, versucht, das kostbare Schwert mit dem Griff aus
geschaffenen Edelsteinen an sich zu nehmen. Und dabei hatte er eine
besondere Überraschung erlebt.
Außer ihm, Björn. Hellmark, war kaum jemand imstande,
die Waffe zu heben.
Sie steckte jetzt noch in seiner Scheide. Ein eindeutiges Zeichen
dafür, daß man es nicht geschafft hatte, ihm die Waffe
wegzunehmen. In Verbindung mit seinem Körper jedoch hob sich das
scheinbar übermäßige Gewicht für einen anderen
völlig auf.
Was sich im einzelnen ereignet hatte, darüber konnte er
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