Macabros 082: Das magische Vermächtnis der grauen Riesen
etappenweise«,
erhielt er zur Antwort.
»Woher kommen Sie? Von einem anderen Stern?« Der
Kriminalbeamte hatte das Gefühl, daß seine Worte ziemlich
hölzern klangen. Doch er wußte nicht, wie er sich anders
verhalten sollte.
»Wie man’s nimmt… auch von dort«, erwiderte
sein Gegenüber mit dem Anflug eines geheimnisvollen
Lächelns.
»Von wo kann man noch kommen?«
»Es gibt viele Orte… aus dem Jenseits, aus der Zeit, aus
einem anderen Universum… aus der Mikroweit… Räume und
Zeiten, die der Gedanke durcheilen kann, weil ihm keine Grenzen
gesetzt sind.«
»Das ist unmöglich. Der Gedanke ist Geist. Aber er ist
gebunden an den, er ihn denkt…«
»Nicht, wenn man dem Gedanken eine Form, ein Gebäude
gibt… ein Gebäude, das so frei und beweglich ist wie der
Gedanke selbst und den mitnimmt, der diesen Gedanken
denkt…«
Künzl merkte, daß es keinen Sinn hatte, in dieser Form
das Gespräch weiterzuführen. Er hörte zwar die Worte,
aber ihm fehlte deren Sinn.
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Friedrich Chancell…«
»Der Friedrich Chancell, dem dieses Haus dort
gehört?« Unwillkürlich wandte Künzl den Kopf und
deutete zurück auf das einsam stehende Gebäude, in dem er
seine Arbeit verrichtet hatte. Er war froh zu erkennen, daß er
noch imstande war, seinen Blick von der ungeheuerlichen Erscheinung
zu lösen, die aus dem Nichts vor ihm aufgetaucht war.
»Ja, der gleiche…«
»Wir haben einen Toten abtransportiert, einen vermutlich
Ermordeten. Wie kann es sein, daß Sie und er…«
»Das Rätsel ist schnell gelöst, wenn man die
Hintergründe kennt. Der Mann, dessen Leiche sichergestellt
wurde, gleich mir aufs Haar. Aber ich bin es nicht. Ich habe mein
Haus vor drei oder vier Tagen das letzte Mal von innen gesehen.
Vielleicht sind es auch schon Wochen oder Monate her, vielleicht drei
oder vier Jahre… oder auch schon zehn… so jedenfalls kommt
es mir manchmal vor. Der Tote soll etwas erklären, einen
Vorfall, der sonst keine Erklärung finden würde… ich
möchte aber, daß zumindest einer weiß, wer und was
wirklich dahintersteckt. Ich nämlich werde ab sofort für
die Welt nicht mehr existieren. Und das wissen die ›Männer
in Schwarz‹…«
»Was dahintersteckt.? Männer in Schwarz?« echote
Künzl.
»Kommen Sie herein! Hier sind Sie am sichersten. Es ist damit
zu rechnen, daß sie sonst nochmal auftauchen und sich eine neue
Schweinerei einfallen lassen…«
»Wer sollte nochmal auftauchen?«
»Die ›Männer in Schwarz‹… Kommen Sie! Sie
brauchen nichts zu befürchten. Ich möchte nur eine
Botschaft, eine Erklärung weitergeben. Damit Sie verstehen.
Treten Sie näher…«
Der Mann, der sich Friedrich Chancell nannte, machte einen Schritt
seitwärts. Die riesige, dreieckige Öffnung lag dunkel und
unergründlich vor Künzl.
Konnte er der Einladung vertrauen?
Unwillkürlich tastete der Hauptwachtmeister nach seiner
Dienstwaffe.
Dem Mann aus der schwebenden Pyramide entging die Bewegung
nicht.
Er lächelte. »So wenig Vertrauen haben Sie? Wäre
ich mit böser Absicht gekommen, hätte ich nicht längst
die Gelegenheit gehabt, Sie zu töten? Dieser Koloß
läßt sich sehr feinsinnig steuern«, erklärte er
die Funktion der Pyramide. »Einen Meter weiter links oder
rechts, nach vorn oder hinten wäre keine Schwierigkeit für
mich gewesen. Das können Sie mir glauben. Ich hätte Sie
unter der Bodenplatte verschwinden lassen können. Selbst die
Erde läßt sich mit der Pyramide durchqueren. Und niemand
wäre wohl auf den Gedanken gekommen, Sie im Zentrum der Erde zu
suchen, nicht wahr?«
Künzl lief es eiskalt über den Rücken, als er diese
Worte hörte.
Er setzte sich in Bewegung und faßte den Mut, etwas zu tun,
wofür es in seinem Leben nichts Vergleichbares gab.
Er betrat die Pyramide.
Kaum daß er die Schwelle überschritten hatte,
schloß sich die riesige Öffnung.
»Nun sind wir in Sicherheit«, bekam er zu hören. Er
stand Friedrich Chancell von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
»Jetzt können sie uns vorerst nicht
aufspüren.«
»Sie sind es… Sie sind es tatsächlich«,
murmelte Künzl, den Mann vor sich in Gedanken mit dem Toten
vergleichend, der in einem Zinksarg nach Basel transportiert worden
war. »Ich kann es einfach nicht glauben…«
»Sie werden bald alles wissen – und noch mehr verstehen,
als notwendig ist«, erhielt er zur Antwort. »Es ist
allerdings wichtig, daß ich etwas aushole. Nur dann wird
für Sie alles verständlich sein. –
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