Macabros 082: Das magische Vermächtnis der grauen Riesen
der Kriminalbeamte
hervor. »Bringen Sie mich auf der Stelle hinaus!«
Chancell atmete tief durch. »Ich kann Sie verstehen«,
sagte er freundlich, ohne Anstalten zu machen, etwas zu unternehmen.
Er sah auch nicht erschrocken aus. »Wahrscheinlich würde
ich an Ihrer Stelle genauso handeln. – Aber es ergibt keinen
Sinn. Sie brauchen nichts zu befürchten, es wird Ihnen kein Haar
gekrümmt. Wenn ich Ihren Wünschen nachkäme, dann
hätte dies nur Nachteile für Sie. Ehe ich kein Signal
empfange, können wir beide die Pyramide nicht verlassen. Es
wäre Ihr Tod!«
»Unsinn! Wir sind noch genau da, wo wir uns
trafen…«
»Sie wissen mehr als ich und dürfen jetzt die Nerven
nicht verlieren. Ich möchte Ihnen die Augen öffnen, damit
Sie richtig entscheiden und die Wahrheit berücksichtigt wird.
Kein Unschuldiger soll für eine Tat bestraft werden, die er
nicht begangen hat. Auch wenn die Indizien gegen ihn sprechen…
Sie werden bald alles verstehen. Aber es ist nur möglich, wenn
die ganze Entwicklung Ihnen vertraut ist. Und nun machen Sie keinen
Unfug. Stecken Sie Ihre Kanone weg!«
»Ich denke nicht dran, ich… aaaahhhh!« Künzl
gab einen spitzen Aufschrei von sich.
Die Schußhand flog in die Höhe, als würde sie an
einem unsichtbaren Faden hochgerissen.
Ein riesiges, rot funkelndes Auge tauchte wie ein Vogel über
ihm auf, stieß auf ihn herab, berührte ihn, passierte
seinen Körper und verschwand wie ein Spuk in der Tiefe des
diesigen Saales.
Instinktiv riß Künzl beide Hände vor die Augen und
war einen Moment geblendet. Die Waffe entfiel seiner Hand.
Friedrich Chancell bückte sich danach und hob sie auf.
Er schob den Sicherungsflügel nach vorn, drehte die Waffe
herum und reichte sie dem Kriminalbeamten.
»Hier! Nehmen Sie! Ich hätte jetzt Gelegenheit gehabt,
auch zu schießen. Daß ich kein Interesse daran habe,
Ihnen auch nur ein Haar zu krümmen, werden Sie wohl
spätestens jetzt glauben.«
Verwirrt steckte Künzl seine Waffe wieder weg.
»Was… war das?« fragte er stockend.
»Skash! Er sieht alles, was in der Pyramide geschieht. Seine
Blicke sind überall. Die Pyramide ist sein Zuhause. Ich bin nur
Gast hier. Vielleicht für eine befristete Zeitspanne, vielleicht
auch für immer. Das weiß noch niemand von uns.«
»Aber Sie können doch nicht für alle Zeiten hier in
diesen Hallen, Sälen und spitzwinkligen Korridoren eingesperrt
sein?«
Chancell blickte ihn erstaunt an. »Und weshalb
nicht?«
»Sie müssen essen und trinken. Und dann die
Einsamkeit…«
»Ich fühle mich keineswegs einsam. Und langweilig
dürfte es mir auch nicht werden. Ich habe mehr gefunden, als ich
in meinen kühnsten Träumen zu entdecken hoffte. – Ich
bin in Skashs Haus freier, als ich es in meinem ganzen bisherigen
Leben gewesen bin.
Essen und Trinken kann ich mir besorgen. Ich kann an jedem Punkt
der Welt auftauchen und das Notwendige beschaffen. Geld genug steht
mir zur Verfügung.«
»War das der Grund, weshalb Sie mit der Pyramide in der
Nähe Ihres Hauses auftauchten?«
»Ein Grund. Ich wollte mir außerdem einige Bücher
und Notizen beschaffen. Da wurde ich mitten in den Strudel der
Ereignisse gezogen. Ich tauchte sofort wieder unter und kehrte erst
dann noch mal zurück, als sich mir die Gelegenheit bot, mit
Ihnen allein zu sprechen.«
»Was hätten Sie getan, wenn Sie mich nicht mehr
angetroffen hätten?«
»Ich hätte Sie auf alle Fälle gesucht. Irgendwie
wäre ich dann in den nächsten Tagen auf Sie zugekommen.
Dazu ist das, was Sie wissen müssen, zu wichtig.«
»Gestatten Sie mir noch eine Frage, Chancell?«
»Jede, wenn ich sie beantworten kann.«
»Als ich vorhin zum erstenmal die Pyramide sah und glaubte,
einer Halluzination zum Opfer zu fallen, wurde ich auf eine Gruppe
Menschen aufmerksam, die auf dem Feld versammelt war, ängstlich
auf das riesige Objekt starrte und zurückwich. Wo sind die
Menschen geblieben?«
»Sie waren nicht wirklich. Skash ist mit seinem Haus,
für das es keine Grenzen gibt, in der Vergangenheit schon an
hunderttausend Orten gewesen. Bei vielen Gelegenheiten hat er auch
bestimmte Bezirke der Erde gestreift. Menschen haben die Pyramide zu
verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gesehen. Ich sagte
vorhin schon: Skash weiß und sieht alles. Seinem genialen
Gedächtnis entfallt nichts. Was Sie gesehen haben, waren
gewissermaßen Erinnerungsbilder…«
» Erinnerungsbilder?«
»Wir alle haben sie auch«, lächelte Chancell.
»Nur werden unsere
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