Macabros 089: Rückkehr in den Totenbrunnen
stürzte, bis ihr Rufen verhallte und irgendwo in
der Unendlichkeit verwehte…
*
Alles ging rasend schnell.
Julio Hernandez’ Hand flog in dem Moment in die Höhe,
als er den Abzug durchdrückte.
Die Kugel ging weit über den Mann hinweg, den er eigentlich
treffen wollte.
Björn Hellmark stand unbeweglich, und um seine Lippen spielte
ein amüsiertes Lächeln.
»Sie sollten froh sein, daß ich Sie vor einer Dummheit
bewahrt habe«, sagte eine Stimme hinter Hernandez.
Der Mexikaner, dessen Armgelenk von einer fremden Hand fest
umklammert wurde, warf mit einem wütenden Fluch den Kopf
herum.
Julio Hernandez wurde sich seines Aufschreis nicht
bewußt.
Der Mann wollte nicht glauben, was er sah, und meinte zu
phantasieren.
Abermals flog sein Kopf herum.
Hernandez stöhnte, er fuhr zusammen wie unter einem
Peitschenschlag.
Drüben am Rand des Abgrundes stand der gleiche Mann, der ihm
auch die Hand emporgeschlagen hatte und ihm nun – den
Überraschungsmoment nutzend – die Waffe mit scharfem Ruck
entwand.
»Aber wie… ich… wieso…« Hernandez war
unfähig, seine Gedanken in Worte zu kleiden.
Er starrte abwechselnd auf Hellmark, der sich in Bewegung setzte,
dann wieder auf den Mann, der ihn davon abgehalten hatte, den
verhaßten Widersacher zu töten.
Dieser Mann mußte sein Zwillingsbruder sein. Sie
ähnelten einander wie ein Ei dem anderen.
Der Mann, den er hatte erschießen wollen, war jetzt noch
einen Schritt von ihm entfernt, bückte sich und hob die Pistole
auf.
Der andere, der diesem so frappierend glich, der sogar die gleiche
Kleidung trug und dessen präzises Ebenbild war, ließ
Hernandez los. Der Mexikaner wich zurück und starrte auf die
beiden Männer, die vor ihm standen und ihm den Weg abschnitten.
Hernandez unternahm überhaupt keinen Versuch, zu fliehen.
Bis zur Ausfahrt kam er nicht. Rechts neben ihm ragte der kahle
Fels empor, links war der Abgrund, zu dem er Hellmark geschickt
hatte.
»Was, zum Teufel, geht hier vor?« fragte der Mann
verwirrt. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Seine Augen blickten
Unstet. »Wer ist das… wieso… gibt es Sie zweimal…
das ist… Hexerei… Evita hatte recht… Sie stehen mit
dem Teufel im Bund!«
»Irrtum, Julio! Hier geht’s weder dämonisch noch
okkult zu, und auch der Satan ist nicht im Spiel. Ich wäre Ihr
Opfer geworden, würde ich nicht über jene besondere Gabe
verfügen, von der Sie nun wissen. Es gibt Menschen, die besitzen
übersinnliche Talente. Es gibt Leute, die können andere
Gedanken lesen und durch reine Gedankenkraft Gegenstände
bewegen… es sind Telepathen und Telekineten… ich bin in der
glücklichen Lage, meinen Körper verdoppeln zu können.
Das hat mir das Leben gerettet. Und da spielen keine andersgearteten,
menschenfeindlichen Kräfte eine Rolle. Diesen Unterschied wollte
ich Ihnen klarmachen.«
Hellmark kam drei weitere Schritte auf Hernandez zu. Dem war der
Vorgang noch immer nicht ganz geheuer. Er stand mit dem Rücken
gegen den kahlen Fels gepreßt und starrte auf Hellmark und
Macabros, dessen Doppelkörper, wie auf eine
Geistererscheinung.
Björn Hellmark löste Macabros auf.
Der Zweitkörper verschwand blitzartig. Fauchend schlug die
Luft an der Stelle zusammen, an der er sich eben noch befunden
hatte.
»Was immer Sie mir über Evita gesagt haben, muß
entweder eine Erfindung sein…«
»War es nicht!« fiel Julio Hernandez ihm ins Wort.
»… oder«, ließ Hellmark sich nicht aus dem
Konzept bringen, »es spielen Kräfte eine Rolle, die Sie mir
andichteten und die in Wirklichkeit Evita Mochares ins Verderben
stürzten. Ihr ganzer Haß aber richtete sich gegen mich.
Sie wurden aufgewiegelt und sollten in mir einen Feind sehen,
nämlich den Mann, der Evita Mochares’ Geist angeblich
zerstörte. Was immer mit Evita geschehen ist, ich habe nichts
damit zu tun. Ich bin erschrocken über das, was ich durch Sie
erfuhr, Julio. Lassen Sie uns keine Zeit mehr verlieren. Bringen Sie
mich zu ihr, vielleicht kann ich mit dazu beitragen, ihr Schicksal zu
verbessern.«
Mit diesen Worten trat er vollends auf ihn zu.
»Hier, nehmen Sie! Als Zeichen meines guten Willens…
Vielleicht überzeugt Sie das.« Hellmark reichte ihm die
Waffe. »Ich gehe davon aus, daß Sie wirklich ein
Irregeführter sind, kein kaltblütiger Mörder…
fahren wir, damit wir so schnell wie möglich zu Evita
kommen.«
Julio Hernandez’ Augen wurden noch größer.
Zögernd nahm er die Pistole an sich. »Ich verstehe
überhaupt
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