Macabros 094: Todesruf der schwarzen Hexe
ihr über das
Haar und löste sich dann aus dem Schatten hinter dem
Kastenwagen.
»Half die Augen offen, falls irgend etwas sein sollte«,
erinnerte er sie. »Und wenn was schief geht, dann zauberst du
einen großen schwarzen Vogel herbei, der mich auf seinen
Schwingen davonträgt…«
»Die Farbe ›Schwarz‹ scheint es dir angetan zu
haben, Rani. Warum ausgerechnet schwarz? Einen weißen oder rosa
Vogel kann ich mir besser vorstellen.«
»Keine Experimente, kleine Hexe! Weiß und rosa oder
süßlila und himmelblau… das mag zwar alles recht
lustig aussehen. Aber wenn’s dunkel ist, dann fällt eben
ein schwarzer Vogel am wenigstens auf.«
Er überquerte den Parkplatz.
Danielle sah dem Freund nach, wie er die hellerleuchtete
Empfangshalle betrat. Groß und breitschultrig, hochaufgerichtet
ging Rani auf den Concierge zu.
»Ich habe durch einen Zufall erfahren, daß Mister
Bardon und seine Frau sich heute hier im Hotel aufhalten, Sir.
Würden Sie mir bitte sagen, in welchem Zimmer das Paar wohnt?
Ich möchte es mit meinem Besuch überraschen…«
Der Concierge legte nachdenklich die Stirn in Falten.
»Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen, Sir? Ich teile
Missis und Mister Bardon dann Ihre Ankunft mit…«
»Aber dann ist die ganze Überraschung zum
Teufel…«
»Tut mir leid, Sir. Mister Bardon hat extra darum gebeten,
ihn zu informieren, wenn jemand nach ihm fragen sollte.«
»Das gilt natürlich für Fremde, aber nicht für
Freunde.«
»Woher, Sir, kann ich wissen, ob Sie für Mister Bardon
ein Fremder – oder ein Freund sind?«
»Da haben Sie auch wieder recht«, knurrte Rani.
»Ihren Namen, Sir?«
»Redgrave, Bill Redgrave…«, sagte der Inder wie aus
der Pistole geschossen. Die Ausrede mußte sitzen.
Es war dringend notwendig, mit Bardon ein Gespräch
herbeizuführen. Wenn sie sich erst mal gegenüberstanden,
war schon ein Anfang gemacht. Dann kam alles andere wie von
selbst.
Er hätte durch seine spezielle Fähigkeit, die er auf
Marlos erworben hatte, in das Hotelzimmer teleportieren können,
in dem Bardon und seine Frau untergebracht war. Doch das war nicht
die richtige Art, das Vertrauen eines völlig fremden Menschen zu
erwerben…
»Einen Moment bitte, Sir«, sagte der Concierge und griff
nach dem Telefonhörer. Er wählte die Nummer und wartete,
bis sich am anderen Ende der Strippe jemand meldete.
Dann sagte er sein Sprüchlein herunter.
»Ein Mister Redgrave möchte Sie gern sprechen,
Sir…«
Rani Mahay war erregt. Er war in eine Situation geraten, mit der
er ursprünglich nicht gerechnet hatte. Wie würde Bardon
reagieren, wenn sich ein Mensch, der ihm ganz offensichtlich seit
jenen fraglichen Tagen verhaßt sein mußte, plötzlich
wieder meldete?
»Ja, Sir, ist gut… Vielen Dank!« Der Concierge
legte auf und wandte sich an den Inder. »Er erwartet Sie gern,
Sir. Vierte Etage, Zimmer zwölf.«
*
Will Bardon blickte seine Frau an.
»Redgrave hat sich gemeldet«, sagte er mit schwerer
Stimme. Seine Hand lag noch auf dem Telefonhörer.
»Das ist unmöglich!« Seine Frau Barbara stand wie
versteinert.
Will Bardon zuckte bloß die Achseln. Sein Gesicht war grau
geworden, und er wirkte plötzlich älter, als er in
Wirklichkeit war. Der flache Handkoffer aus Krokodilleder lag auf dem
Doppelbett.
Er war mit einem Kombinationsschloß gesichert.
Der Koffer war mit dunkelroter Seide ausgefüttert. Unter
einem schwarzen Tuch lagen mehrere Gegenstände. Als Bardon das
Tuch wegnahm, wurden winzige schwarze Knöchel sichtbar, die aus
dem Finger eines Menschen stammten.
Die Knochen waren in einer bestimmten Formation gelegt. Sie
stellten ein kugelrundes Mondgesicht dar, aus dem links und rechts
flügelähnliche Auswüchse ragten.
Bardon schloß die Augen und legte seine Hand dann so in den
Koffer, daß sie die Fingerknochen bedeckte…
*
Von der Rezeption aus konnte der Concierge sehen, wie der Mann,
der sich Bill Redgrave nannte, auf den Lift wartete und ihn dann
betrat. Niemand sonst ging mit hinein.
Die Aufzugstür schloß sich.
Durch das Glas konnte Rani Mahay gerade noch sehen, wie ein
Kellner mit einem silbernen Tablett die Halle durchquerte und
Getränke zu einigen Gästen brachte, die in einer
gemütlichen Ecke bei gedämpften Licht zusammensaßen
und sich unterhielten.
In diesem Moment nahm sich der Inder vor, zusammen mit Danielle
noch einen Drink an der Bar zu nehmen.
Der Lift setzte sich nach oben in Bewegung.
An der Leuchtanzeige über der Tür
Weitere Kostenlose Bücher