Macabros 097: Das Grab in Lemuria
merkte, daß unterhalb der Stränge ein Hohlraum war.
Wie tief er hinabging, vermochte sie nicht zu sagen. Wenn sie sich
flach auf den Bauch legte und die Hand dann durch eine Öffnung
schob, so weit es ging nach unten streckte, dann fühlte sie
keinen Widerstand.
Unter ihr mußte sich ein riesiges Loch befinden. Doch die
Dunkelheit in der Tiefe war zu dicht, als daß sie sie mit ihren
Blicken hätte durchdringen können.
Die Brasilianerin begann, ihre nähere Umgebung zu erkunden.
Dabei ging sie äußerst vorsichtig zu Werke.
Sie war in die Hände eines Gegners gefallen, von dem sie
nichts wußte. Er hatte sie mit seinen klebrigen Seilen mitten
aus dem Kampfgeschehen herausgelöst, und die Tatsache, daß
sie sich noch immer in der Gewalt des Unbekannten befand, zeigte,
daß auch Björn und Rani sich noch in arger Bedrängnis
befinden mußten.
Sie hörte keine Kampfgeräusche. Alles war geradezu
unnatürlich still.
Carminia kroch über den klebrigen Untergrund, in dem sich
immer wieder größere Öffnungen befanden. Der Boden
war fest, massiv, nicht unbedingt eben. Viele
Unregelmäßigkeiten, Steigungen und Mulden, gab es
darin.
Das geisterhafte Glühen aus den Wänden verschaffte ihr
die Möglichkeit, wenigstens schemenhaft die Umrisse ihrer
fremdartigen Umgebung zu erkennen.
Plötzlich verhielt Carminia Brado in der Bewegung und wagte
nicht mehr zu atmen.
Einer der Stränge, auf denen sie hockte, bewegte sich.
Er hob sich langsam und träge in die Höhe und streckte
sich. Carminia wurde gegen ihren Willen etwas zur Seite gehoben.
Dann herrschte wieder Stille.
Das Herz der Brasilianerin begann heftiger zu pochen.
Das Gefängnis, in das sie verschleppt worden war, schien von
Zeit zu Zeit zu leben! Ein lebendes Gefängnis? Ein Ungetüm,
das sie bewachte, das sich ständig in ihrer Nähe befand,
und dem nichts von dem entging, was sie tat.
Sie wartete eine Weile ab, ehe sie auf dem seltsamen Untergrund
weiterkroch. Vor ihr ragte eine Wand auf, die ebenso gestaltet war
wie der Boden unter ihr.
Dicke, riesige Taue liefen senkrecht, kreuz und quer in die
Höhe und bildeten ein netzartiges Gebilde, wie sie es in dieser
Form, Größe und Struktur noch nie gesehen hatte.
Mit fiebernden Blicken folgte sie dem Verlauf des Gebildes und kam
immer mehr zu dem Schluß, daß es sich wohl um ein
riesiges Spinnennetz handeln müsse. Allerdings nicht so
symmetrisch wie ein irdisches…
Aber waren sie denn nicht auf der Erde? Sie waren durch den
Geist-Spiegel des Hestus an einen Punkt getragen worden, der irgendwo
in der sichtbaren Welt lag.
Doch das Gefühl der Unruhe und Angst wollte nicht von ihr
weichen.
Irgendwie kam es ihr so vor, als wäre etwas schiefgegangen,
als hätten sie einen Punkt erreicht, der nicht mit dem identisch
war, den Ak Nafuur in seiner Botschaft angegeben hatte.
Das überdimensionale Geflecht wurde immer dichter. Die
Öffnungen im Boden waren manchmal so groß, daß ein
ausgewachsener Menschenkörper durchrutschte, wenn man nicht
höllisch aufpaßte. Daß dies jedoch nicht zu leicht
passierte, dagegen half die Klebrigkeit der Stränge, die weich
wie Moos und elastisch wie Gummi waren, wie es schien.
Plötzlich erblickte Carminia etwas Ungeheuerliches. Es machte
ihren Alptraum komplett.
Seltsam verbogen hingen mehrere dicke Stränge vor ihr. Aber
diese waren nicht stumpf und ragten, in das Bodengeflecht hinein,
sondern wuchsen separat in die Höhe. Sie endeten in ovalen,
kopfgroßen Gebilden.
Es waren Köpfe!
Sie waren fahl, beinahe beinern und wiesen große
Öffnungen für Mund und Nase auf. Die Schädel waren
völlig blank und kahl – wie Totenköpfe.
Die runden Augenhöhlen jedoch waren geschlossen und
öffneten sich, als würden schwarze Rollos blitzartig in die
Höhe gezogen.
Von mehreren bernsteingelben, kalt glitzernden Augen, die in der
schwarzen Höhle wie Tennisbälle auf und ab hüpften,
wurde die Brasilianerin angestarrt.
Dieser intensive Blick mehrer Augenpaare gleichzeitig traf sie wie
eine unangenehme körperliche Berührung. Carminia
wußte, ohne eine Erklärung dafür zu haben, daß
sie ihrem Mörder gegenüberstand!
*
Insgesamt waren es neun Köpfe, die an den armdicken Tentakeln
wie Auswüchse klebten. Totenschädelähnliche
Anhängsel, die lebten!
Die dunklen, wie große Löcher aussehenden Münder
bewegten sich, die Kiefer mahlten, und dann zeigten sich
blaugrüne, dolchartige Raubtierzähne in dem lippenlosen
Antlitz.
Ein hohles Lachen kam aus den
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