Macabros 099: Die Seelenfresser von Lemuria
meinen Dank abzustatten. Der Ritus
muß vollzogen werden. Vontox kann uns nur daran hindern,
daß wir glücklich dorthin gelangen, aber das Ritual selbst
kann von ihm nicht mehr beeinflußt werden. Er wird also alles
daransetzen, daß wir das Ziel nicht erreichen…«
»Und wir werden alles daransetzen, daß wir es
erreichen!«
Sie besprachen ihr Vorhaben in allen Einzelheiten, soweit sie es
überblicken konnten.
Tayaa schickte eine Amazone in die Jadestadt im Dschungel
zurück, um die Botschaft zu überbringen.
Die Vogelfrau hätte viele Kriegerinnen auf den Weg ins
Ungewisse mitnehmen können. Aber sie unterließ es
absichtlich. Es kam nicht darauf an, einen Krieg gegen Vontox’
Heere zu führen, sondern durch List und Geschick Gewißheit
über das Schicksal von Hellmarks Freunden einzuholen und sie
nach Möglichkeit in einem kühnen Handstreich zu
befreien.
Und es kam darauf an, den »Verlorenen Thron« zu
erreichen, ohne den Seelenfressern in die Hände zu fallen.
Tayaa, die zweite Amazone und Björn Heilmark machten sich auf
den Weg.
Hellmark saß sicher auf Tweik, und Whiss beobachtete die
ruhigen, ausgreifenden Flügelschläge des Flugreiters und
wanderte auf dem großen ›Vogel‹ auf und ab, als
müsse er sich alles ansehen.
Er achtete nicht auf seine Umgebung, beobachtete nicht, wie der
Flugreiter – zwischen Tayaa, die voranflog, und der Amazone, die
die Nachhut bildete – tief ins Gebirge glitt. Die Schlucht stieg
steil wie eine gemauerte Wand zu beiden Seiten neben ihnen auf,
verengte sich mehr und mehr und schien mit der Spitze irgendwo in
unvorstellbarer Ferne einen Punkt zu berühren, der den
Übergang von den Gebirgszügen zur Wüstenzone
darstellte.
Doch der Eindruck täuschte, wie Tayaa sie darauf aufmerksam
machte.
»Wir sind gleich da. Halten wir uns am besten im tiefsten
Schatten der Felsen, damit man uns nicht vorzeitig
entdeckt…«
Whiss hörte die Worte nur beiläufig.
»Toll«, wisperte er und legte sich der Länge nach
auf Tweiks Kopf, der verwirrt nach oben schielte, um den kleinen
Plagegeist nicht aus den Augen zu verlieren. »Ich kann ja selbst
fliegen, das macht schon ’ne Menge Spaß. Aber so ein
Flugerlebnis mit ’nem Jumbo ist doch etwas ganz
anderes…«
*
Wie eilig er’s wirklich hatte, bewies er mit seiner Fahrt
durch die Stadt.
Steven McKensey raste wie der Teufel. Daß er dabei zwei
Ampeln übersah, nahm er ebenfalls in Kauf.
»Muß denn dieses Tempo sein?« fragte Carminia
Brado ein wenig ängstlich. Bei diesem Fahrstil kalkulierte sie
einen Unfall ein, und halb in Gedanken weilte sie schon auf Marlos
und war bereit, ihre Konzentration sofort zu verstärken, um auf
die unsichtbare Insel zu springen, wenn die Situation es
erforderte.
Doch zum Glück geschah nichts, McKensey kam heil im
Maryland-Hospital an, wo Tom Darington, der Lenker des
Unglücks-Lkw, lag.
Schwester Tanja hatte Dienst auf Station B III.
War es wirklich nur ein Zufall, daß die dunkelhaarige, ein
wenig üppig wirkende Frau gerade in dem Moment vom anderen Ende
des Korridors auf sie zukam, als sie den Lift verließen?
In Tanjas stillem, hübschem Gesicht war die Überraschung
deutlich zu sehen, als sie Carminia Brado an McKenseys Seite
entdeckte.
»Das war nicht abgesprochen«, flüsterte die
Krankenschwester. »Ich dachte, du würdest allein
kommen?«
»Tut mir leid, Darling«, er hauchte rasch einen
Kuß auf ihre Lippen, nachdem er sich vergewissert hatte,
daß niemand vom Krankenhauspersonal und kein Patient in der
Nähe war. »Ich werde dir später alles erklären
und…«
Tanja ließ sich mit ein paar Worten der Zuneigung nicht
abspeisen. »Du bist auf dem falschen Dampfer, Steven«,
stieß sie kratzbürstig hervor. »Wenn du glaubst,
daß ich für dich die Kastanien aus dem Feuer hole und du
sie dann mit einer anderen vernaschen kannst, dann hast du dich
gewaltig getäuscht! Du hast mir versprochen…«
»Ich weiß, was ich dir versprochen habe. Das ist
Carminia… du brauchst nicht eifersüchtig zu sein.«
»Wohl eine Mitarbeiterin, die auch Darington Fragen stellen
will, wie?«
Tanja war in der Tat eifersüchtig, und das stachelte ihren
Ärger erst recht an.
McKensey aber, der die Verbindung’ zu dieser
liebesbedürftigen Krankenschwester geschickt geknüpft
hatte, war ein Mann, der sich auf Frauen verstand und genau
wußte, wie er Tanja anfassen mußte. »Du wirst es
nicht glauben«, flüsterte er. »Sie ist… meine
Schwester…«
Carminia Brado glaubte
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