Macabros 111: Molochos Flucht ins Jenseits
Schatten eines faserigen Gebüschs heraustrat, das
sich von der eintönigen Stimmung und Farbe der Landschaft ebenso
wenig abhob wie die Gestalten.
Bis auf diese eine!
Sie war wie ein Farbtupfer auf einem fahl-braunen Teppich.
Eine Frau! Sie trug zerfetzte Kleidung, ihre Haut schimmerte
überall durch, das lange Haar war zerzaust.
»Carminia?!«
Das Wort kam über Hellmarks Lippen.
Es elektrisierte sie alle.
Björn erinnerte sich und erkannte die ungeheuerliche
Situation, in der die Frau sich befand, die er liebte…
*
Stuart Mayburry fand keine Erklärung für die Dinge, aber
er konnte sie nicht leugnen.
Die Tür hatte sich geschlossen, ohne daß Hampton Hand
angelegt hätte. Er selbst stand in dem Kellerraum und konnte
keinen Finger rühren. Hoffnung auf Hilfe gab es auch keine mehr.
Mayburry war überzeugt davon, daß Hampton in der läge
war, Sheridan Schwierigkeiten zu bereiten, ohne dem Privatdetektiv
gegenübertreten zu müssen.
Hier wirkten Kräfte, mit denen er nie zu tun hatte.
Hampton lächelte maliziös. Sein verknittertes Gesicht
sah aus wie ausgetrocknetes Pergament.
»Setz dich hin! Wollen wir uns mal anhören, was Menat
uns zu sagen hat…«
Mit diesen Worten zog er einen der einfachen Stühle
herum.
Stuart Mayburry konnte sich setzen, und er saß steif wie ein
Regenschirm.
Hampton schaltete die Apparatur ein.
Eine grüne Signalbirne flammte auf. Das Mikrofon war fest
installiert, genau in Mundhöhe des Engländers.
Starkes Rauschen drang aus dem Lautsprecher.
Eine bestimmte Wellenlänge war eingestellt.
»Hallo, Menat«, begann Hampton ohne weitere Umschweife
die Kontaktaufnahme. »Ich rufe dich! Kannst du mich hören?
Ich bin Togar, der im Körper eines Mannes namens Hampton
wiedergeboren wurde. Meine Geräte sind alle eingeschaltet. Melde
dich, ich fordere dich auf, dich zu melden…«
Das klang nicht wie eine Bitte, sondern wie ein Befehl.
Und dann kam Antwort. Leise, aber verständlich. Es war eine
Stimme, die seltsam gefühllos und fern klang.
»Ich bin Menat. Eine Geist-Existenz. Die Kette der
Wiedergeburten habe ich vollendet. Ich spreche aus einer anderen
Sphäre zu dir, Togar. Es freut mich, daß du begonnen hast
zu handeln. Deine Zeit ist gekommen. Wie es für andere der Fall
ist…«
»Ich habe den ersten hergerufen, Menat. Du allein wirst
feststellen können, ob er schon damals zu uns gehörte, ob
die Jahrtausende sein Gedächtnis nur beeinträchtigt
haben.«
Fenster und Tür in dem kleinen Keller waren geschlossen.
Dennoch spürte Mayburry einen kühlen Luftzug im
Gesicht.
Jemand schien außer ihnen beiden noch da zu sein und vor ihm
auf und ab zu gehen.
Aber das war nur Einbildung! Hampton hatte eine Stimme gerufen,
einen körperlosen Geist.
Der späte Besucher lauschte in sich hinein.
Er spürte eine Regung und glaubte eine Stimme zu
hören.
In seiner Erinnerung regte sich etwas.
»Dein Leben, Stuart Mayburry, verlief bisher in sehr
festgefügten Bahnen«, vernahm er die Worte im Rauschen des
Lautsprechers. »Du hast stets deinen Vorteil gesucht,
Widersacher ausgeschaltet und dir Ellenbogenfreiheit verschafft, wo
immer es nötig war. Rücksicht ist ein Wort, das du nicht
kanntest… ist dir nie aufgefallen, wie ähnlich du uns
bist?«
»Ähnlich? Wem?« preßte Mayburry hervor.
»Soll das ein Verhör sein?«
»Man kann es so sehen – wenn es deine Psyche betrifft.
Vergiß’ deinen Körper! Er ist nur eine
Hülle… Wir sind ein Teil dieser Welt, auch wenn man uns
nicht sieht. Spuk, Geister, Dämonen… es gibt viele Namen
für uns. Mein wirklicher Name ist Menat… Damit kann man
mich rufen. Dem Mann, den du als Alec Hampton kennst, ist dieser Name
plötzlich wieder eingefallen, als er sich mit okkulten und
spiritistischen Experimenten befaßte. Er war seit einiger Zeit
davon überzeugt, daß es ein Leben nach dem Tod gibt. Das
ist in der Tat so! Für jedes Individuum gibt es einen eigenen
Tod, wie es zuvor sein eigenes Leben hatte. Ebenso ist es mit der
Individualität des Weiterlebens.
Es gibt Individuen, deren Seelen einen Läuterungsprozeß
in vielen Leben durchmachen und frei werden in der Unendlichkeit des
Universums. Andere wiederum gibt es, die dauernd wiedergeboren
werden, und deren Herkunft in irgendeiner Form mit der Existenz
Rha-Ta-N’mys zu tun hat.
Seelen, die durch ihr Reich gegangen sind, gehören ihr.
Dazu zählen Menat und Togar.
Wir kennen unsere gemeinsame Vergangenheit in Xantilon.
So ist uns auch die Gegenwart
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