Macabros 113: Die Wahnsinnskugeln
wenigen Minuten dorthin gelegt
worden.
Seltsame Zeichen bedeckten die Platte. Evont konnte sie nicht
entziffern, er wußte nichts über ihren Sinn.
Aber es waren auch Worte darin eingegraben, die er lesen konnte.
In der Schrift der Xantilon-Völker!
›Wanderer – kommst du nach Kalesh, verharre an diesem
Ort. Schreckliches ist hier geschehen. Aus dem Paradies wurde die
Hölle geboren. Doch der aus Frieden den Unfrieden schuf, aus dem
Licht die Finsternis und aus dem Leben den Tod – ist selbst
schwer verwundet.
Er kann die Kraft nicht mehr aus der Tiefe holen, die diese Platte
verschließt. Wanderer, geh still vorbei an diesem Ort, sieh die
Not, die Kalesh getroffen hat…‹
»Was zögerst du noch länger?« tönte da
Menats Stimme. »Heb die Platte auf und zerschmettere sie am
Boden… tu, was du tun mußt!«
O ja, dachte Evont mit heißem Herzen, genau das werde ich
tun.
Es zog ihn zu Baia, Heran und Malek. Wenn er nicht tat, was der
Magier von ihm verlangte, war der immer noch in der Lage dazu, ihn zu
töten. Und nachträglich sicher aus Rache auch Baia und die
anderen noch.
Das wollte er vermeiden, aber auch verhindern, daß Menat
seine Kräfte steigerte.
Der legte Wert auf die Zerstörung der Platte.
Was würde geschehen, wenn er, Evont, die Platte über
oder vor sich hielt und auf Menat zuging? Würden die
Abwehrformen, die er offensichtlich mied, ihn derart schwächen,
daß er zu einem weiteren magischen Angriff überhaupt nicht
fähig war?
Evont gab sich einen Ruck, packte tief unter den aufgeworfenen
Rand der Steinplatte, die sich seltsamerweise warm anfühlte, und
spannte dann seine Rückenmuskeln.
Die Platte saß locker, nicht wie eingegossen.
Evont hob sie erst vorsichtig an und warf aus den Augenwinkeln
einen Blick auf den Unheimlichen, der im Zwielicht ein Teil der
dunklen Zonen zu sein schien.
Menat stand reglos da wie eine Statue.
Der Mann aus Kyrta richtete sich auf. Mit der Platte. Er wandte
sich um und hielt sie wie einen Schild vor seine Brust, und zwar so,
daß das Feld mit der Aufschrift und den magischen Abwehrzeichen
genau auf Menat gerichtet war.
Der wich zurück.
»Zerschmettere sie, Evont! Auf dem Boden zwischen den
Gestalten, die dich umgeben…«
»Nein, Menat«, antwortete Evont rauh und mit fester
Stimme. »Nein, ich tue es nicht.«
»Es ist deine Pflicht. Ich werde deine Leute auf der Stelle
töten, wenn du nicht augenblicklich…«
Evont lachte leise, während er an einer schönen
Zentaurin vorbeiging. Die Wesen aus Kalesh schienen aus toten Augen
jede seiner Bewegungen aufmerksam zu verfolgen. »Du kannst
nicht, Menat. Glaubst du denn, ich würde deine Unsicherheit,
deine Beklommenheit nicht spüren? Du hast Angst, Menat! Solange
ich diesen Schild trage, wirst du mir nichts antun können. Und
auch den dreien nicht, die zu weit von dir entfernt sind, als
daß du sie noch erreichen könntest.«
Er war sich plötzlich ganz sicher, daß es ihm gelungen
war, das Ruder herumzuwerfen.
Er war noch zwischen den legendären Wesen von Kalesh,
während Menat, der Unheimliche, sich außerhalb des
Bannkreises befand.
»Du bist im Irrtum, Evont! Tu, was ich dir gesagt habe –
oder ich werde handeln und mir einen der Befreiten zurückholen,
damit er vollendet, was du begonnen hast. Wirf einen Blick
zurück, und du wirst erkennen, daß du bereits verloren
hast, daß du getan hast, was ich von dir verlangte. Der Schacht
ist frei. Die Kraft aus der Tiefe strömt empor…«
Evont blieb stehen.
Er hörte ein leises Zischen hinter sich und wandte ruckartig
den Kopf.
Menat hatte recht.
Aus Evonts Kehle drang ein Stöhnen, als er sah, daß er
mit dem Wegnehmen der Platte tatsächlich etwas befreit
hatte.
Das ewig herrschende Zwielicht war um eine Nuance dunkler
geworden. Die Atmosphäre schien dichter zu werden, und er
spürte deutlich, daß die Luft angefüllt war mit
unangenehmen Stimmungen und Gefühlen.
Der Atem der Hölle schien aus dem Loch zu strömen, das
mit der bannenden Platte abgedeckt gewesen war.
Große Kugeln stiegen aus der Tiefe empor. Sie waren schwarz
wie die Nacht, schimmerten wie überdimensionale Seifenblasen und
wurden mehr und mehr…
*
Nur ein Trugbild, ein Täuschungsmanöver Menats, der
fürchten mußte, hintergangen worden zu sein?
Evont fand keine Gelegenheit mehr, dies jemals zu klären.
Er lief nach vorn und wollte den Kreis der Kalesh-Geschöpfe
verlassen, als er stolperte.
Er stieß gegen etwas, das plötzlich aus dem
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