Macabros 113: Die Wahnsinnskugeln
»Einverstanden. Sie dürfen gehen.
Du bleibst zurück, erfüllst deine Arbeit und folgst ihnen
dann…«
»Dann öffne das Schloß…«
Es bedurfte dazu keines Schlüssels, und es war auch nicht
notwendig, daß der Magier, beseelt mit
außergewöhnlichen Kräften, selbst zum Käfig
kam.
Das Schloß bewegte sich, als würden unsichtbare Finger
sich daran zu schaffen machen. Dann erfolgte ein leises, trockenes
Knacken.
Der Bügel schnappte nach außen. Das Schloß fiel
geräuschvoll gegen einen Gitterstab.
Menats Zauberkraft war wirksam geworden.
Er verfügte noch über einige Fähigkeiten und wollte
sie nun ausbauen. Hier in Kalesh lag der Schlüssel seiner
Macht.
Evont nahm das Schloß mit zittrigen Fingern ab, ließ
es achtlos auf den Boden fallen und riß die Tür auf.
Baia flog ihm an den Hals und bedeckte sein bärtiges Gesicht
mit Küssen.
»Lauft!« sagte er schnell. »Haltet euch nicht auf,
blickt nicht zurück und macht keinen Unfug! Laßt euch zu
keiner unüberlegten Handlung hinreißen. Lauft immer
geradeaus! Ihr geratet in eine Nebelwand. Wenn ihr sie passiert habt,
steht ihr auf einer Lichtung mitten in der Wildnis. Dort wartet ihr
auf mich.«
»Aber…«, Baia wollte etwas sagen.
»Keine Fragen«, fiel er ihr ins Wort. »Ich
muß meinen augenblicklichen Vorteil wahren, ehe er sich’s
anders überlegt. Und noch etwas: wenn ich nicht nachkomme, geht
immer in südlicher Richtung am Flußlauf entlang,
entgegengesetzt der Strömungsrichtung.«
»Warum solltest du nicht nachkommen?« wollte Heran
wissen. Der junge Mann, selbst schon ein Kämpfer, wirkte
ratlos.
»Es kann immer etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommen.
Für diesen Fall möchte ich euch in Sicherheit wissen. Ich
habe schließlich keine Garantie dafür, daß er
zuletzt auch das tut, was ich von ihm erwarte und zu bekommen habe.
Er denkt wie ein Dämon. Vergeßt das niemals… Und nun
geht!«
Sie taten, was er von ihnen verlangte. Malek packte Baia und Heran
bei der Hand und lief mit ihnen aus dem dunklen Haus.
Evont folgte ihnen bis zur Versammlungsstätte mit den
abgebrochenen Säulen und der gespenstischen Gesellschaft, die
dort zusammengekommen war und die Platte im Mittelpunkt zu bewachen
schien.
Die aus dem Käfig Befreiten ließen diese Stelle links
liegen und eilten den Weg entlang, der zwischen morschen,
zusammengestürzten Mauern und auseinandergebrochenen Türmen
und Hauswänden auf den Torbogen zuführte und damit auf die
Nebelwand zu, die magischen Ursprungs war.
Im Zwielicht der Ruinenstadt waren die Davoneilenden bald nicht
mehr zu sehen.
»Du hast bekommen, was du wolltest, nun gib mir, worum ich
dich gebeten habe«, sagte Menat.
Evont nickte.
Er ging zwischen den Elfen, Gnomen und Zentauren auf die von Menat
angedeutete Stelle zu.
Der unheimliche Magier blieb außerhalb des Kreises,
ließ Evont jedoch keine Sekunde unbeobachtet.
Der Mann aus Kyrta registrierte dies sehr bewußt.
Menat hatte Respekt. Vor den Versammelten und dem Mittelpunkt der
Säulenhalle unter freiem Himmel.
Evonts Hirn arbeitete unablässig und suchte nach einem
Ausweg. Dem Kämpfer war inzwischen klargeworden, daß Menat
eine schwache Stelle hatte.
Die Platte, die er zerstören sollte…
Vielleicht war das die Chance, auf die er gewartet hatte.
Vielleicht war sie sein Schutzschild. Warum sollte er Menats
unheimliche Kräfte noch verstärken? Je weniger er sie
ausbauen konnte, desto besser.
Baia und die anderen waren in Sicherheit, wenn sie die Ruinenstadt
Kalesh erst mal hinter sich hatten. Dann waren sie außer
Rufweite Menats. Dies jedenfalls setzte Evont voraus. Und wenn der
Überrumpelungseffekt, den er sich ausdachte, schiefgehen sollte,
dann traf es nicht mehr Baia, Heran und Malek – sondern nur noch
ihn.
Dieses Risiko nahm er in Kauf.
So hatte er es nicht eilig, den Ring der Gnomen, Elfen und
Zentauren zu durchwandern. Jede Sekunde, die er länger unterwegs
war, verschaffte den aus dem Käfig Befreiten eine Sekunde mehr
Vorsprung.
Menat drängte ihn nicht. Er hatte auch Zeit, wie es schien.
Offenbar wollte er mit unnötiger Eile Evont nicht
beunruhigen.
Dann stand Evont vor der fraglichen Platte. Wie blankgeputzt lag
sie vor ihm.
Das war äußerst merkwürdig – denn ringsum war
der Boden staubig, mit schmieriger Erde, feuchtem Moos und rankendem
Grün überwuchert. Wie ein Teppich bedeckte dies alles den
Boden rundherum.
Die Platte war rund wie ein Diskus, bronzefarben und wirkte so
frisch, als wäre sie erst vor
Weitere Kostenlose Bücher