Macabros 114: Kaphoons Grab
Bilder, Halluzinationen…
War all das, was er fühlte, sah, hörte und dachte –
nur noch eine einzige Halluzination?
Weiter… er mußte voran, mußte wissen, was dort
vorn, jenseits des Felsentores, vorging…
Diese Dinge erlebte er nicht zum erstenmal. Darüber war er
sich völlig sicher. Umgebung und Geräusche betrafen eine
ganz bestimmte Station seines Lebens, eine, die schon weit
zurücklag… und plötzlich mischte sich in sein Denken
als Kaphoon wieder etwas aus seiner Identität von Björn
Hellmark.
Er setzte sich wieder in Bewegung, tauchte ein in den Schatten der
Felsentore, hinter dem ein langer, nach oben offener Schacht auf ein
Plateau führte, das terrassenförmig angelegt war.
Er war den Stimmen näher gekommen, hielt sich immer noch im
Felsenschatten auf und preßte sich in einen schützenden
Spalt, um die schemenhaften Gestalten nicht zu berühren, die er
plötzlich wahrnahm und die den breiten Tunnel gut zur
Hälfte ausfüllten.
Menschen…
Angehörige aller Völker Xantilons waren gekommen und
hatten sich an diesem einsamen Ort zu nächtlicher Stunde
versammelt.
Viele trugen Fackeln, deren gespenstischer Schein sich an den
matten, glatten Wänden widerspiegelte. Der Zug bestand aus
hunderten von Männern und Frauen, darunter zahllose Kriegern,
die in voller Montur an diesen einsamen Ort gekommen waren.
Zwischen den Augen des Beobachters entstand eine steile Falte, und
auch seine Stirn legte sich in Falten, als er darüber
nachdachte, was wohl der Grund dieses nächtlichen Fackelzugs
sein könne.
Und da fiel es ihm ein…
Hier fand eine Beerdigung statt! Deshalb kam ihm das alles so
bekannt vor. Er kannte den Tag und die Stunde und erinnerte sich an
die Formation der Bestattungsteilnehmer, an die ernsten Gesichter der
Freunde und Mitstreiter, die gleich ihm den Mächten des
Bösen den Kampf angesagt hatten…
Da löste sich der blonde Mann aus der Felsennische und lief
an dem Trauerzug entlang, weiter nach vom, wo die Sargträger
schritten.
Keiner achtete auf ihn, niemand wurde auf ihn aufmerksam.
Und er wußte auch, warum… Sie sahen ihn nicht. Er war
für sie – unsichtbar.
Er war nur noch ein Geist. Er hatte keinen stofflichen Körper
mehr.
Er kam vorn an und sah die Männer, die gepanzerte
Rüstungen trugen, um sich vor den Speeren, Morgensternen und
Pfeilen heimtückischer Dämonenangriffe zu
schützen.
Sechs Männer trugen einen offenen Katafalk.
Darauf aufgebahrt lag ein großer blonder Mann.
Björn Hellmark alias Kaphoon erblickte sich dort…
*
Sie brauchten nicht auf ein Taxi zu warten, mußten nicht die
Underground-Bahn benutzen und auch keinen Bus.
Für Alan Kennan war die ›Reise‹ vom Hyde-Park zur
Nachtbar ›Cabaret‹ eine Augenblickssache, schnell wie ein
Gedanke.
Der ›Umweg‹ über die unsichtbare Insel allerdings
mußte sein. Er konnte sich nicht direkt von der einen zur
anderen Stelle versetzen. Ausgangspunkt mußte immer Marlos
sein…
So kehrte er noch mal dorthin zurück und hielt Pamela Kilian
an der Hand, weil sie den Teleportationssprung allein nicht
durchführen konnte.
Aus der kühlen, feuchten Nacht Londons ging es in die
sonnige, frühlingshafte Wärme der Insel Marlos.
Der Eindruck währte nur drei Sekunden. Dann verschwanden die
Palmen, der blaue Himmel und das weite Meer hinter einem
Nebelschleier – und die Umrisse einer belebten Straße
wurden sichtbar. Stimmen und Unruhe wechselten die Stille ab’,
die sie eben noch umfangen hatte.
Fünfzig Meter von der Nachtbar ›Cabaret‹ entfernt
kamen Pamela und Alan an. Durch die allgemeine Aufregung, die ringsum
herrschte und den massierten Einsatz der Polizei, die einen Hinterhof
nach dem anderen auf der Suche nach dem gesichteten Panther
durchkämmte, fiel die Ankunft des Paares aus Marlos nicht
auf.
Wie zwei Gespenster aus dem Nichts tauchten Pamela und Alan
auf.
Ein Mann in mittleren Jahren, neben dem sie wie Pilze aus dem
Boden wuchsen, meckerte zwar, als er unabsichtlich durch Kennan
angerempelt wurde, der hautnah neben ihm materialisierte.
»Pardon«, entschuldigte sich der Marlos-Bewohner mit
einem Lächeln.
Alan und Pamela mischten sich unter die Neugierigen und fragten,
was geschehen sei.
Die einen behaupteten, die Bestie hätte die Prostituierte bis
zur Unkenntlichkeit zerrissen, andere sagten, daß die Blondine
verletzt ins Krankenhaus eingeliefert worden sei.
Die Polizei bemühte sich, den Zustrom der Neugierigen in
Grenzen zu halten. Blitzlichter
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