Macabros 116: Die Droge der Götter
einzige
Zufluchtsort zu sein.
Zu ihm strebten sie und suchten hier Schutz wie vor einem
Unwetter. Damit war die schwarze Kraft auch am ehesten
vergleichbar.
Da bewegten sich die mächtigen Tore des Tempels.
Lautlos und kraftvoll schlossen sie sich und schaufelten noch
einige Flüchtlinge mit hinein, während andere durch die
sich bewegenden Torhälften auf die Seite geworfen wurden.
Die Schreie wuchsen ins Gigantische.
»Carminia!« Hellmarks verzweifelter Ruf wurde geschluckt
vom Lärm, der ringsum herrschte.
Der Ruf konnte die geliebte Frau, die in einen Traumkosmos geraten
war, nicht erreichen.
Er erfuhr auch nicht, was aus Carminia wurde, befand sie sich
schon im Innern des Tempels? War sie mit der letzten Welle der
Fliehenden hineingespült worden – oder lag sie in dem sich
bewegenden Knäuel aus Menschenleibern auf dem Boden?
Er selbst war noch zu weit vom Eingang entfernt.
Der laue Wind wurde zum Sog, packte Hellmark und riß ihn in
sich hinein.
Undurchdringliche Schwärze umgab ihn und löschte alle
Sinneseindrücke.
*
Mario Santelli hatte das Gefühl, der Boden würde ihm
unter den Füßen weggerissen.
Trotz der Überraschung handelte der Italiener.
Er faßte in die Innentasche seines Jacketts, holte den
handlichen Revolver heraus und richtete ihn auf den Mann vor
sich.
»Keine Dummheiten, Myers!« stieß Santelli scharf
hervor.
Ein erstickter Aufschrei antwortete ihm.
»Mario! Was tust du da?«
Wieder zuckte der Italiener zusammen. Er schluckte und
schüttelte sich, als würde er aus einem Traum erwachen.
»C-l-a-r-i-s-s-a?« entrann es seinen Lippen.
Er preßte die Augen zusammen und öffnete sie
wieder.
»Was ist los mit dir, Mario? Warum bedrohst du mich mit dem
Revolver? Ich… habe meinen Fehler doch eingesehen und brauche
deine Hilfe.«
Da, wo Santelli eben noch eindeutig Ronald Myers zu sehen glaubte,
stand die schöne Tänzerin.
Sie trug ein hauchdünnes Neglige, darunter zarte
Spitzenwäsche. Das Neglige klaffte auf.
»Entschuldige…« Santelli wirkte erschrocken und
blickte verwirrt auf den Revolver in seiner Hand.
»Gewohnheit«, sagte er dann und schüttelte die Zweifel
ab wie einen Regenguß, den er abbekommen hatte. »Einen
Moment habe ich wirklich geglaubt, du würdest mich bedrohen. Da
wollte ich dir zuvorkommen…«
Die Augen der attraktiven, langbeinigen Australierin verengten
sich zu schmalen Schlitzen.
»Da war etwas anderes, Mario«, sagte sie. »Du hast
– mich gar nicht richtig wahrgenommen… deine Reaktion…
war anders… was, Mario, hast du wirklich gesehen? Sag’ die
Wahrheit! Nur die kann uns noch weiterhelfen. Auch ich habe dir etwas
zu sagen, das diesen Myers betrifft. Er… ist ein Teufel in
Menschengestalt… er kann töten, ohne eine Waffe zu
benutzen. Bis gestern habe ich an so etwas nicht geglaubt… Immer
wieder habe ich über außersinnliche Phänomene in
Illustrierten und Magazinen gelesen. So etwas liest sich gut. Aber
für mich waren das bisher nichts anderes als Sensationsberichte,
um das Publikum für den Kauf dieses oder jenes Blattes zu
interessieren.
Seit gestern… weiß ich, daß…«
Plötzlich versagte ihre Stimme. Ungeachtet des Revolvers, den
Santelli noch immer in der Rechten hielt, ließ sie sich in
seine Arme fallen und begann zu schluchzen.
Da ließ er die Waffe sinken, legte seinen Arm um ihre
Schultern und zog sie an sich.
»Es ist… schrecklich, alles, was ich erlebt habe…
Ich kann nicht mehr hier bleiben, Mario… er hat Macht über
Leben und Tod… er tut es mit den Fingern… und braucht die
Person, die er töten will, dabei nur anzusehen… Wenn er
Daumen und Zeigefinger zusammenbringt, bricht derjenige, den er
töten will auch zusammen…«
Sie berichtete stockend, atmete schnell und flach.
»Ich… kann die Show heute unmöglich zu Ende…
führen…, meine Nerven machen da nicht mehr mit… Ich
muß ’raus aus der Stadt… weg von Ronald Myers…
die Fische… die Fliege…«
»Was redest du da, Clarissa?« fiel er ihr ins Wort.
»Ich werf alles durcheinander, ich weiß… er hat es
mir demonstriert, wie er sie tötet… er denkt sie sich
tot… So ist auch Rocco ermordet worden!«
»Ich habe seine Leiche gesehen. Wie hat er sie weggeschafft?
Wohin hat er sie gebracht?«
»Sie liegt noch im Keller seines Hauses…« Die
Tänzerin sah ihn an. »Ich kann verstehen, daß du
zornig auf mich bist… mich töten wolltest.«
»Ich wollte nicht dich töten, Clarissa… Was du mir
da gesagt hast,
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