Macabros 118: Sternenschloß des toten Gottes
Torflügel
druckten, bewegte er sich. Mahay zog den massiven Flügel in den
Sand hinein und schob diesen so weit zurück, daß eine
genügend große Öffnung entstand, um ihn aufrecht und
in ganzer Breite durchzulassen.
Es war eine unglaubliche, übermenschliche Kraftanstrengung,
die hinter seiner Aktion steckte.
Normalerweise – unmöglich.
Es waren auch keine normalen Kräfte mehr, die in ihm steckten
und deren er sich bediente.
Es waren außergewöhnliche, geheimnisvolle
Kräfte…
Er erreichte die Wüstenzone, die sich vor dem offenen Tor
ausdehnte und in das pulsierende Halbdunkel reichte, in dem noch
immer riesige Wolkenwände emporragten, die wie Mauern aus dem
Boden in der Ferne vor ihm wuchsen.
Rani Mahay war der erste, der den Weg ins Ungewisse einschlug.
In gleicher Gangart und ebenfalls mit dem typischen mordgierigen
Blick in den Augen folgte rund dreißig Schritte hinter ihm
Carminia Brado. Dann stapfte auch schon Pepe wortlos und kühl
durch den hohen Sand.
Danach kam ein großer Abstand.
Als nächstes tauchte Danielle de Barteaulieé auf der
Bildfläche auf. Wenige Meter hinter ihr erschien Björn
Hellmark. Dicht über ihm flog Whiss. Auch in seinen Augen lag
der Ausdruck einer erbarmungslosen Besessenheit, als hätte in
der Zeit, als ihr Bewußtsein erloschen war, etwas
unbeschreiblich Grauenvolles von ihnen Besitz ergriffen.
Sie gingen alle in die gleiche Richtung in ungewisses Halbdunkel,
auf die düstere Himmelswand zu.
Der seltsame Zug von Menschen hatte nichts mehr Menschliches an
sich.
Die Art, wie sie sich bewegten, stimmte nicht mehr.
Keiner sprach mit dem anderen.
Sie schienen einander nicht zu kennen und zu erkennen.
Keiner war mehr der, der er einst war.
Sie hatten den rätselhaften Sandsturm, dessen Partikel sie
durchdrungen hatte, überstanden.
Alle, die von Marlos aus gestartet waren, bewegten sich in einem
eigenartigen Zug durch die Wüste.
Nur einer fehlte.
Jim…
Er lag nach wie vor ohne zu atmen, ohne sich zu bewegen unter dem
Sand im Innern des Palastes begraben…
*
Er kam kurz nach Mitternacht.
Es war still und dunkel in dem kleinen Zimmer mit den Regalen, dem
Tisch, der Sitzgruppe und dem bunten Teppich.
Der Himmel war klar, und das Sternenlicht sickerte durch die
gewaltigen, dichtbelaubten Kronen der alten Eichen.
Die Gestalt zeigte sich zuerst zwischen den Zweigen, verhielt eine
halbe Minute dort und starrte durch das angelehnte Fenster.
Zaneroth war da!
Er sah den schlafenden Jungen.
Bobby Failman war nur halb zugedeckt. Das aufgeschlagene Buch lag
auf seiner Brust. Er war während des Lesens eingeschlafen. Tief
und ruhig gingen seine Atemzüge.
Das seltsame Wesen, das durch das Zusammenfügen der
Zaubersteine einen Namen erhalten und aus einem unsichtbaren Reich in
diese. Welt gekommen war, war dicht behaart, hatte einen Pelz wie ein
Braunbär und einen dicken Kopf mit spitzen Ohren, zwei kleinen
stumpfen Hörnern und schräg liegenden, unheimlich
glühenden Augen.
Statt Hände besaß er Klauen, mit denen er zum
nächsten Ast hangelte und sich dann hinüberschwang auf die
Fensterbank.
Seine krallenbewehrten Füße verursachten leises
Scharren, als er dort ankam und sich festklammerte.
Zaneroths Augen glühten, und aus seiner Kehle drang ein
gefährlich klingendes Kichern.
Er hatte lange warten müssen. Doch es hatte sich gelohnt. Nun
hatte er gefunden, was er suchte, und niemand würde auf die Idee
kommen, ihn hier zu vermuten. Eine bessere Tarnung gab es nicht.
Rha-Ta-N’my würde zufrieden sein,’ einen neuen Helfer
mitten unter den Menschen zu haben.
Dieses Haus, diese Ausgangsposition waren ideal.
Wenn er jetzt noch das Vertrauen Bobby Failmans gewann, konnte
eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Dann würde es für ihn ein Sieg auf der ganzen Linie
werden.
Zaneroth kam durch den Spalt und setzte sich ans Fußende des
Bettes.
»Hallo, Bobby«, rief er mit samtener Stimme. »Ich
habe mein Versprechen gehalten und bin gekommen… Werd’
wach. Ich will dich gesund machen… weißt du das nicht
mehr?«
Er lauerte, sah, daß der Junge unruhig wurde und sich auf
die Seite legte. Das aufgeschlagene Buch rutschte gegen die Wand.
»Bobby… du mußt jetzt wach werden. Ich habe nicht
viel Zeit… Öffne die Augen… zu erschrecken brauchst du
nicht. Ich habe dir gesagt, daß ich anders aussehe als ihr
Menschen… Aber darauf kommt es doch nicht an, nicht
wahr?«
Bobby Failman murmelte etwas Unverständliches.
Zaneroth zupfte an
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