Macabros 118: Sternenschloß des toten Gottes
ist der
legendäre Ort, an dem uns Rettung erwartet… ja, es kann gar
nichts anderes sein… das ist das ›Sternenschloß des
Toten Gottes‹…«
Er lief aufgeregt an der Wand entlang, fand eine unsichtbare
Tür, und sie wich lautlos unter dem Druck seiner Hände
zurück.
Vor ihm war noch immer der Wüstenboden. Aber als der
Geflohene durch die Tür schritt, berührten seine
Füße nicht mehr den sandigen Untergrund, sondern die
unsichtbare Fläche, die darüber lag. Eine harte Schicht,
die man fühlen, aber nicht sehen konnte.
Ein Korridor, dann folgten mehrere Treppen, über die sie
gingen… links und rechts hohe, unsichtbare Wände.
Die beiden Menschen hielten sich an den Händen und staunten
über die Entdeckung, die sie gemacht hatten.
Sie wußten, daß sie sich im Innern eines riesigen
Gebäudes befanden. Die Luft war anders, sie rochen den Sand
nicht mehr – obwohl sie die Wüste unverändert und
scheinbar unendlich in ihrer Ausdehnung vor sich sahen.
In der Höhe, viele Etagen von den beiden ahnungslosen
Menschen entfernt, wechselten die beiden Mächtigen, Okar und
Razzan, einen Blick.
»Jetzt bist du an der Reihe…«, flüsterte Okar.
»Geh’ ihnen entgegen, sie werden dich als den ›Toten
Gott‹ empfangen…«
Razzan grinste wie ein Teufel, und seine Augen glänzten.
»Ich kann es kaum erwarten, ihnen meine Dienste
anzubieten«, sagte er.
*
Als er die Augen aufschlug, wußte er im ersten Moment nicht,
wo er sich befand.
Er merkte, daß er schwer atmete, daß etwas wie ein
Nachtmahr auf seiner Brust hockte und es zwischen seinen Zähnen
knirschte, wenn er den Mund bewegte.
Sand?!
Wie kam Sand in sein Bett?
Da merkte Jim, daß er mit den anderen mit der Fliegenden
Stadt aus Marlos gekommen war, wo er wirklich lag. Unter einem
Sandhügel, aus dem sein Kopf noch herausragte. Er hob ihn an,
und zwischen den hornartigen Erhebungen seines Kammes, der von der
Kopfmitte bis in den Nacken wuchs, rieselte der feine Sand auf den
Boden herab.
Jim war ein Guuf. Er hatte einen kugelrunden Kopf und war
völlig kahl, nicht mal Brauen wuchsen in seinem Gesicht.
Jim sah dämonisch aus mit seinen riesengroßen, runden
Augen und dem breiten Mund, der von einem Ohr zum anderen ging. Aber
Ohren gab es eigentlich nicht. An beiden Kopfseiten befanden sich nur
kleine dunkle Löcher. Die Ohrmuscheln fehlten. Das Gleiche war
mit der Nase. Wo bei einem Menschen die Nase wuchs, gab es bei Jim
auch nur kleine verdeckte, kaum wahrnehmbare Löcher.
Jims Mutter war eine Menschenfrau, sein Vater aber ein
dämonischer Guuf, ein sogenannter ›Kugelkopf‹, wie sie
wegen ihres Aussehens bezeichnet wurden.
Dieses dämonische Aussehen, das die Menschen, die ihn nicht
näher kannten, immer wieder erschreckte, war maßgeblich
daran beteiligt, daß Jim allerlei Schwierigkeiten mit seinen
Zeitgenossen hatte.
Die Menschen hielten ihn für einen Dämon und verfolgten
ihn. Die Dämonen waren hinter ihm her, weil in Jims Erinnerung
– eine Art Kollektivbewußtsein, das für die Rasse der
Kugelköpfe typisch war – Dinge gespeichert wurden, die dem
Todfeind der Mächte aus dem Reich der Finsternis, Björn
Hellmark, bei seinem Kampf von Nutzen sein konnten.
Als Hellmark sich seinerzeit entschloß, Jim auf die Insel
mitzunehmen, um ihm eine neue Heimat zu geben, wußte er noch
nichts von dieser Besonderheit seines kleinen Schützlings. Er
wollte für Jim, der ohne es zu wollen mit seinem Aussehen alle
erschreckte, nur die Verfolgungsjagden unterbinden.
Die Menschen, die sich auf Marlos zu einer kleinen verschworenen
Gruppe vereinigt hatten, kannten Jim, wußten seine stille,
freundliche Art zu schätzen und störten sich nicht an
seinem Aussehen. Jim war eine Seele von ›Mensch‹, und er
war besser als manch einer, der so aussah…
Was war passiert?
Das war sein erster Gedanke, als er den Sandhügel über
sich bemerkte.
Hatte Pepe ihn während seines Schlummers am Strand
eingegraben? Der Freund kam manchmal auf Wahnsinnsideen…
Aber das war kein Sand von der Insel Marlos.
Der war weißer und feiner…
Und auch die Umgebung stimmte nicht.
Die riesige, gewölbeartige Decke, die kostbaren, farbigen
Reliefs an dieser Decke, an den Säulen, die den Thron
flankierten und aussahen wie Blumenranken – das alles war nicht
die Kulisse von Marlos.
Der Palast von Gigantopolis!
Die gewaltigen Wolken, die sich über der Fliegenden Stadt
entluden, hatten keinen Regen, sondern Unmengen von Sand mit sich
getragen.
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