Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
Beklommenheit abzuschütteln.
Was sie gehört zu haben glaubte, konnte einfach nicht sein.
Sie hatte sich das sicher nur eingebildet.
Deshalb sprach sie mit keinem Wort von dem, was in ihr vorgegangen
war, um sich nicht zu blamieren.
*
Zwei, drei Personen, die der Gestalt auf dem Boden zu nahe waren,
prallten mit einem Aufschrei zurück.
Hellmark reagierte mit seinem Zweitkörper nicht so.
Er bückte sich in dem Moment, als das große,’
mehrfach gegliederte Tier mit dem tödlichen Stachel den Kopf
vollends verlassen konnte und sich aufrichtete, als wolle es zum
Sprung ansetzen und sich auf einen der Neugierigen stürzen.
Da schnellte Macabros’ Rechte nach vorn.
Durch die Menschen, die ihn umringten, ging es wie eine
Windbewegung durch ein Ährenfeld.
Die Hand des großen blonden Mannes packte den Skorpion etwa
in der Mitte des gegliederten, länglichen Leibes.
Das Tier reagierte sofort.
Der Schwanz mit dem tödlichen Giftstachel ruckte herum,
krümmte sich und bohrte sich in die Hand des Mannes, der den
Skorpion hielt.
*
Die Menschen – Einheimische und Touristen – wurden Zeuge
des Vorgangs.
»Das kann Sie das Leben kosten!« rief ein Amerikaner im
Buschhemd und einer teuren Kamera um den Hals.
Die Menschen, die die Aktion mitbekamen, starrten den Fremden
entgeistert an.
Die Neugierigen spritzten auseinander, weil jeder damit rechnete,
daß der Fremde in Schmerz und Panik das giftige Tier von sich
und in die Menge schleudern würde.
Keiner wollte den Skorpion im Nacken oder im Gesicht sitzen
haben.
Doch der Mann, von dem niemand wußte, daß er nicht aus
Fleisch und Blut bestand, reagierte nicht wie erwartet.
Macabros kam es darauf an, herauszufinden, ob alle –
einschließlich ihm – nur einer Halluzination oder
optischen Täuschung zum Opfer fielen, oder ob es den
unheimlichen Skorpion aus dem Kopf des Opfers wirklich gab.
Es gab ihn!
Er fühlte den Körper, der sich seinem Zugriff entwinden
wollte. Das Geschöpf war dreidimensional, kein Schemen, keine
Einbildung.
Es war so echt wie der grauenvoll entstellte Tote auf dem Boden
und die Menschen, die vor ihm und dem Fremden zurückwichen, der
den Skorpion noch immer hielt und einen zweiten und dritten Stich
abbekam.
Aber das schien ihm ebenso wenig auszumachen wie der erste
Stich.
Der Mann fuhr nicht zusammen, zeigte keine Anzeichen von Angst und
schien von der Giftwirkung nichts zu spüren.
Offenbar hielt man ihn für verrückt, denn ein Mann
faßte Mut und sprang ihn von der Seite her an.
Sein Arm schoß nach vorn und krachte gegen Macabros’
Ellbogen. Der Mann – ein Europäer, groß,
dunkelhaarig, hager – bewirkte damit, daß der Skorpion aus
Macabros’ Hand flog und auf den Boden klatschte.
Er landete einen halben Schritt von einem anderen Passanten
entfernt, der geistesgegenwärtig die Situation begriff. Er
sprang nach vorn.
»Nein, nicht!« rief Macabros noch, aber da war es schon
zu spät.
Der Mann gegenüber war dem Skorpion näher und sprang mit
beiden Füßen auf ihn.
Unter den Absätzen seiner Schuhe knackte der Chitinpanzer.
Der lange Hinterleib des Tieres mit dem tödlichen Stachel
peitschte nochmal herum, aber schaffte es nicht mehr, den Stachel
durch das Schuhwerk seines Mörders zu treiben.
Der Hagere, der Macabros den Skorpion aus der Hand geschlagen
hatte, packte den blonden Mann am Arm.
»Mut ist eine großartige Tugend«, sagte der
Dunkelhaarige. »Aber was Sie getan haben, ist entweder
Tollkühnheit, Wahnwitz oder schlichter Leichtsinn… Sie
müssen sofort in ein Krankenhaus und mit stark antibiotischen
Mitteln behandelt werden. Ich bin Tropenarzt und zufällig Zeuge
geworden, was Ihnen passiert ist. Kommen Sie schnell! Mein Wagen
steht nur ein paar Meter von hier entfernt in einer
Seitenstraße. Ich bringe Sie in ein Hospital.«
»Vielen Dank für Ihr freundliches Angebot, Doktor. Aber
das ist nicht nötig.«
»Nicht… nötig?« Der Hagere schnappte nach
Luft. »Offenbar sind Sie sich nicht darüber im klaren, was
mit Ihnen geschehen ist. Skorpione dieser Größe haben in
ihrer Giftdrüse genug Gift, um einen Gaul zur Strecke zu
bringen. Das Tier ist über fünfzehn Zentimeter
groß.«
Macabros nickte und starrte auf die zermanschten Überreste am
Boden. »Ich hätte gern Näheres über es
gewußt… Es untersuchen lassen…« Er ging in die
Hocke. Der Mann, der geglaubt hatte, ihm mit seinem Vorstoß
einen Gefallen zu tun, verdrehte die Augen.
»Kommen Sie, schnell, verlieren
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