Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
zu
arbeiten. Primaballerinen wollten sie allerdings nicht werden, soviel
Ehrgeiz hatten sie nicht. Aber in einer kleinen überschaubaren
und guten Truppe im Fernsehen oder im Theater aufzutreten, hätte
ihnen gefallen.
Doch der Traum zerrann in der unerbittlichen Wirklichkeit
schnell.
Die Nachfrage war groß, das Angebot aber klein.
Desirée und Jeanne waren nur zwei von vielen, die
schließlich resignierten.
Sie suchten andere Betätigungen, um wenigstens etwas zu tun
und finanziell hinzukommen.
»Oui, Tanz«, bestätigte Jeanne und warf den Kopf in
den Nacken. »Ich will wieder Ballett machen, und es gibt auch
schon ein Angebot.«
Desirée Mallon kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
»Und das sagst du mir erst jetzt?« fragte sie irritiert.
»Die Idee kann dir doch nicht so plötzlich gekommen sein.
Damit beschäftigst du dich doch sicher schon eine ganze
Zeitlang?«
»Gedanken sind keine Taten. Spruchreif, Desirée, ist
die Sache erst seit gestern nachmittag. Und den endgültigen
Entschluß werde ich erst heute fassen. Du siehst, auch ich habe
Neuigkeiten.«
»In gewissem Sinn angenehmere als meine…«
»Die Neuigkeiten betreffen nicht nur mich, sondern auch dich.
Ich habe, als ich davon erfuhr, auch an dich gedacht.
Ich glaube, daß dich das Angebot auch interessieren
könnte. Moment mal, ich zeige dir das.«
Mit diesen Worten erhob sie sich und ging durch eine schmale
Tür in ein Hinterzimmer. Sie kam wieder hervor und legte der
gespannt wartenden Freundin eine Zeitungsanzeige vor.
»Stand im ›Figaro‹, ist also ganz
seriös.«
In der Anzeige wurden unabhängige Mädchen im Alter
zwischen zwanzig und achtundzwanzig Jahren für eine neu
aufzubauende Ballettgruppe im Ausland, Tanger, gesucht. Als
Anfangsgehalt wurden bei Eignung viertausendfünfhundert Francs
geboten. Leistungszuschläge seien leicht möglich. Es war
eine Telefonnummer angegeben, um einen Vorstellungstermin zu
vereinbaren.
»Ich habe vor drei Tagen mit dem zuständigen Herrn
gesprochen«, informierte Jeanne die Freundin.
Desirée schüttelte den Kopf. »Und ich war in den
letzten drei Tagen hintereinander da, und du hast dir nichts anmerken
lassen!«
»Weil ich mich erst vergewissern wollte… Ich wollte
keine falschen Hoffnungen bei dir wecken, um dich vor einer
Enttäuschung zu bewahren«, lautete die plausible
Erklärung. »Ich wollte prüfen, wie ernsthaft und
seriös das Ganze ist. Gestern war ich dort und habe ein erstes
Vorgespräch geführt.«
»Und? Wie ist dein Eindruck?«
»Bestens! Die Sache sieht sehr gut aus. Ich hab’
gleichzeitig meine Fühler wegen dir ausgestreckt. Die Leute
suchen gutaussehende Damen… wir liegen genau im Raster, meine
Liebe, haben die gleiche Figur, die gleichen langen
Beine…«
»Aber wir sind in der Zwischenzeit ganz schön aus der
Übung.«
»Ein bißchen für die Kondition wirst du doch
sicher getan haben, nicht wahr?«
»Ein bißchen. Aber ob das reicht?«
»Was fehlt, bringen ein paar Wochen hartes Training an der
Stange… Ich habe mich entschlossen. Ich werde heute abend im
Trikot im ›President‹ antanzen. Und wenn du Lust und Laune
hast, kannst du mich begleiten. Wenn ich eine Zusage kriege, bin ich
innerhalb von vierundzwanzig Stunden weg aus Paris und streiche als
Vorauszahlung schon die Hälfte der Gage ein.«
»So großzügig sind die?«
»Es ist ein neues Unternehmen. Die Truppe ist mobil, reist zu
verschiedenen Veranstaltungen quer durch Tanger. Touristenlokale und
exklusive Bars in Tanger, später dann in Süd- und
Mittelamerika. Nach der Tournee in Afrika werden pro Nase an jedes
Girl fünfhundert mehr hingeblättert. Die Unterkunft und
Verpflegung während der ganzen Reise ist frei.«
»Hört sich phantastisch an.«
»Es ist phantastisch! Und wenn ich merke, daß die Sache
rollt, häng’ ich den Laden hier an den Nagel.«
Desirée Mallon dachte nur eine Minute nach. »Wann bist
du heute abend ins ›President‹ bestellt?«
»Punkt sieben. Dann kommt meine Vertreterin, die das Bistro
auch für die kommenden Monate übernehmen will.«
»Jeanne – wenn du nichts dagegen hast, würde ich
gern mitkommen.«
»Voilà… damit hab’ ich fest gerechnet. Ich
wußte, daß du Feuer fangen würdest. Deshalb wollte
ich so früh noch nichts sagen. Wenn jetzt noch etwas schief
geht, habe ich mal wieder Hoffnungen geweckt.«
»Unsinn! Wenn’s schief geht, hatten wir Pech. Dann hast
du mir nie etwas davon erzählt. Wann bekommst du einen
verbindlichen
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