Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
Termin?«
»Heute morgen noch. Spätestens bis elf wollte man mir
Bescheid geben. Der Andrang ist groß, hat man mich wissen
lassen. Erst recht bei diesen Konditionen. Aber sie suchen bestimmte
Mädchen. Und ich habe den Eindruck gewonnen,
daß…«
Sie wurde unterbrochen, als das Telefon’ anschlug.
Jeanne sprang beim ersten Klingelzeichen sofort auf.
»Vielleicht sind sie das.«
Sie eilte hinter die Theke. Neben der Brotschneidemaschine und
einer Flasche Rotwein stand ein altmodisches Telefon.
Jeanne hob ab und meldete sich.
»Hotel ›President‹. Moment bitte, ich
verbinde.«
»Merci.« Die Bistro-Inhaberin drehte sich um, nickte
Desirée Mallon lachend zu und gab ihr mit einer Geste zu
verstehen, daß es die Verbindung war, auf die sie gewartet
hatte.
Desirée eilte an die Seite der Freundin.
»Hotel President«, wisperte Jeanne und hielt die Hand
über die Sprechmuschel. »Sie sind an der Strippe… Ha,
hier spricht Jeanne Benoir, Monsieur.«
Desirée Mallon preßte ihr Ohr an die Außenseite
des Hörers, als die Freundin sie dazu ermunterte.
»Am Apparat Vesner, Mademoiselle. Ich hatte Ihnen
versprochen, heute morgen anzurufen, um Ihnen eine verbindliche
Mitteilung zu machen.«
»Oui, Monsieur.«
Zwischen Desirée Mallons Augen entstand eine steile Falte,
und ihr Gesicht versteinerte.
»Sie können kommen und vortanzen. Wir erwarten Sie heute
um neunzehn Uhr im Hotel. Vergessen Sie bitte ihr Trikot
nicht.«
Desirée Mallon schluckte und merkte, wie sie anfing zu
zittern. Ihre Handflächen wurden feucht.
»Ich werde daran denken, Monsieur.«
»Und noch etwas, Mademoiselle…«
»Ja?«
»Wir sind ziemlich komplett und möchten nicht mehr viel
Zeit mit der Zusammenstellung der Truppe verlieren. Sie sagten uns,
daß Sie unabhängig und schnell abkömmlich sind. Auch
darauf legen wir großen Wert. Die Truppe soll schnell
einsetzbar sein. Wartezeit kostet Geld – bei den heutigen Zinsen
kann sich das kein Unternehmen erlauben, wie Sie wissen.« Er
lachte leise. »Und auch wir sind schließlich nur ein
Unternehmen. Wir wollen schon morgen mit den ausgesuchten
Mädchen nach Tanger fliegen. Die Maschine ist bereits
gechartert. Ihr Vortanzen im Trikot, Mademoiselle, ist praktisch nur
noch eine Formsache. Wir haben Sie anhand Ihres Typs schon in die
engere Wahl gezogen. Könnten Sie sehr schnell weg?«
»Bis morgen ist es knapp, aber für mich auf alle
Fälle zu schaffen.«
»Wunderbar!«
»Noch etwas, Monsieur… Sie erinnern sich sicher. Ich
hatte von einer Kollegin und Freundin gesprochen, die – wie ich
– gern wieder in diesen Beruf zurückwollte. Kann ich sie
noch mitbringen?«
»Ja. Das geht noch. Wenn Sie unseren Vorstellungen
entspricht, läßt sich wahrscheinlich noch etwas
machen.«
Desirée Mallon fühlte ihr Herz bis zum Hals
schlagen.
Das hing nicht damit zusammen, daß sie sich Hoffnungen auf
eine Anstellung machte.
Die Stimme, hämmerte es hinter ihren Schläfen, und
Erregung packte sie.
Diese Stimme – kannte sie!
Es war die gleiche, die heute morgen in ihrem Kopf aufgeklungen
war und sie bedrohte…
*
Jeanne Benoir legte mit einem Freudenschrei auf, umarmte die
Freundin und drehte sich mit ihr hinter der Theke um die eigene
Achse. Dabei war es ihr gleich, was die Gäste im Bistro
dachten.
»Fabelhaft! Ich habe gewußt, daß es klappt. Heh,
Desirée?! Was ist denn los mit dir? Freust du dich denn gar
nicht?« fragte sie mit nachlassender Begeisterung.
Desirée Mallon fuhr sich durch das Haar und versuchte
krampfhaft zu lächeln. »Doch, sehr.«
»Na, das muß aber dann eine ganz eigenartige Freude
sein. So wie du aussiehst…«
»Ich war mit meinen Gedanken einen Moment woanders.«
»Ich kann es mir schon denken. Komm, vergiß es! Heute
abend bist du dabei, einverstanden?«
Die Gefragte nickte zaghaft. »Ja, einverstanden.«
»Und du wirst sehen, daß Sie auch ›Ja‹ zu dir
sagen werden. Dann sind wir erst mal eine Zeitlang von Paris weg,
Geld haben wir auch genug, und wenn uns das Ganze wider Erwarten
nicht behagen sollte, kaufen wir uns ein Ticket und fliegen mit der
nächsten Maschine nach Paris zurück. Dann bist du zwar
weiterhin arbeitslos, und ich steh’ wieder hinter und vor der
Theke, wie es gerade gebraucht wird… Aber wir haben’s
wenigstens riskiert. Wer nichts wagt, kann auch nichts gewinnen,
nicht wahr?«
»Da hast du recht.« Desirée Mallons Stimme klang
noch immer ein wenig bedrückt. Aber sie lachte schon wieder und
versuchte die
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