Macabros 123: Die Spuk-Ruine von Maronn
weißer Sandstrand… Palmen, deren Wipfel sich in
sanfter Brise wiegten.
Marlos!
Aber er kam nicht an.
Die Gespensterhände schienen ihn im Gegenteil noch mehr in
diese andere, finstere Welt zu ziehen, deren Ausläufer ihn
bereits streiften.
Dann gab es einen Knall, als würde unmittelbar neben ihm eine
Bombe explodieren.
Patrick verlor den Boden unter den Füßen und flog in
die materielose Welt. Die Atome seines Körpers lösten sich
auf und wurden eine Tausendstelsekunde später auf der Insel
wieder zusammengesetzt.
Geschafft!
Die düsteren Mauern umgaben ihn nicht mehr. Er hatte das
Gefängnis, in das er gezogen werden sollte, mit der Kraft seiner
Gedanken gerade noch verlassen können.
Die Ankunft auf der Insel, die ein Bollwerk gegen die Mächte
der Finsternis und des Bösen war, ging auch nicht so glatt
über die Bühne wie sonst.
Patrick glaubte, mit einem Fußtritt in den Sand
befördert zu werden. Mit Gewalt hatte er sich aus dem Zugriff
der Geisterwelt noch losgerissen und wurde durch den eigenen Schwung
zu Boden befördert.
Der weiße, weiche Sand drang ihm in Mund und Augen und
klebte auf seinen Lippen.
Spuckend und sich den Mund abwischend hob Richard Patrick den
Kopf.
»Hallo!« sagte da eine fröhliche Stimme, der etwas
Kindliches anhaftete. »Du hast’s ja verdammt eilig. Mit
solchem Tempo bist du noch nie hier angekommen. Klar, daß man
da ’ne Bauchlandung macht…«
Vor seinem Gesicht tauchte ein merkwürdiges Geschöpf
auf.
Es war etwa drei Zentimeter hoch, hatte winzige Arme und Beine und
außerdem zwischen den Schultern feine, zusammengefaltete
Flügel. Sein Kopf war kugelrund und kahl. Auf dem Schädel
prangten elf kleine dunkle Noppen, die wie Antennen ausgefahren
werden konnten.
Doch Blobb-Blobb – um ihn handelte es sich – hatte alle
eingefahren. Und Richard Patrick, der murrend seinen Oberkörper
aufrichtete, hoffte, daß es auch so blieb.
Blobb-Blobb war zwar winzig, aber stark in den Kräften, die
er freisetzen konnte. Mit seinen ausfahrbaren Para-Antennen konnte er
fast jedes parapsychologische Phänomen bewirken.
Blobb-Blobb war stets zu allerlei Spaßen und Scherzen
aufgelegt, was ihm inzwischen den Titel des »kleinsten und
frechsten Marlos-Bewohners« eingetragen hatte.
Er war wie ein zu Schabernack aufgelegter Jugendlicher, der
allerlei ausprobieren wollte, als müsse er dadurch seine eigenen
Kräfte erst richtig einschätzen lernen.
»Der Sand schmeckt unangenehm, nicht wahr?« krähte
Blobb-Blobb, als er sah, wie der Angekommene den Sand ausspie.
»Ja, da hast du recht«, reagierte Richard Patrick
schnell und froh, daß Blobb-Blobb so vernünftig
sprach.
»Dem können wir abhelfen«, strahlte der Winzling,
und schon hob sich einer der dunklen Punkte auf seinem Kopf in die
Höhe. Lautlos glitt ein schwankender Fühler hervor, und der
Sand auf und im Mund Richard Patricks veränderte seine
Konsistenz und den Geschmack.
Der Sand wurde weich und glatt und schmeckte gar nicht mehr nach
Sand.
»He?« sagte Richard Patrick verwundert.
»Schmeckt… wie Schokolade…«
»Schmeckt nicht nur so, ist auch welche!« Der kleine
Kerl strahlte von einem Ohr zum andern. »Ist gleich fiel
angenehmer, nicht wahr?«
Eine Materie in eine andere umzuwandeln gehörte mit zu den
Besonderheiten, die ein Wesen wie Blobb-Blobb, das aus dem
Mikrokosmos stammte, bewirken konnte.
»Klasse, nicht wahr?«
»Wie man’s nimmt«, entgegnete Richard Patrick und
erhob sich vollends. »Wer Schokolade mag… Aber ich
muß aussehen, als hätte ich daran geschleckt. Wenn
überall dort, wo eben noch Sand war, jetzt Schokolade
klebt…«
»Ist doch klar, Rich! Ich hab’ kein Körnchen
ausgelassen.«
Noch während Blobb-Blobb redete, zupfte der auf Marlos
Eingetroffene ein sauberes Taschentuch aus seiner Hosentasche und
tupfte sich ringsum den Mund ab.
»He?« rief Blobb-Blobb verwirrt. »Was machst du
denn jetzt?«
»Ich wisch mir den Mund ab. So kann ich Björn nicht
gegenübertreten.«
»Er ist nicht da.«
»Ich kann mich auch den anderen nicht so zeigen…
Carminia, oder Danielle, Rani…«
»Die sind alle da.«
»Na, siehst du.«
»Aber das ist kein Grund, die gute Schokolade abzuwischen.
Wenn du schon meinst, etwas abwischen zu müssen, dann soll
sich’s auch lohnen.«
Der Para-Fühler ragte noch immer aus dem Kopf, und die
mentale Energie wurde wirksam.
Die Schokolade verfärbte sich – Richard Patricks Gesicht
veränderte sich. Er sah aus, als hätte er in eine
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