Macabros 125: Das Zauber-Pergament
lassen?
Aber nein! Das war keine Lösung. Eis konservierte nur
für eine gewisse Zeit. Es konnte abtauen, und damit würde
die dämonische Kraft der unheimlichen Göttin wieder neu
wirksam werden.
Doch es zeigte sich, daß ihre Befürchtungen
unangebracht waren.
Mokbars Zauber vertrug auch das umgekehrte Bild, das sie
beschworen hatten, und das sich machtvoll durchsetzte.
Minutenlang zischte und dampfte es.
Die Hitzewand, die gleißend und fauchend vor ihnen stand,
ließ keinen Tropfen Wasser durch und verdampfte das nasse
Element völlig.
Vor der Hitze aber flohen sie alle und wichen zurück, weil
ihnen der Atem genommen wurde.
Eine gewaltige Dampfwolke breitete sich über dem einsamen
Waldstück in der Camargue aus und schwebte schwerelos davon.
Dann kehrte Stille ein.
Die Ruhe vor dem Sturm?
Nein!
Die Schatten des Körpers der Dämonengöttin waren
besiegt. Sie konnte keine Reserven mehr mobilisieren. Mokbars
Zauber-Pergament hatte ihren Untergang bewirkt.
Das Feuer erlosch. Seine Kraft war aufgebraucht. Weitere Bilder
brauchten Björn und Carminia nicht zu beschwören.
Dann brach schlagartig der Jubel los, und die minutenlang
andauernde Stille wurde unterbrochen.
Die aus dem Bann befreiten Menschen fielen sich um den Hals.
Es bedurfte keiner großen Worte, keiner langatmigen
Erklärungen.
Alle hatten das Geschehen miterlebt, und sie waren lange genug
Gefangene in dem gespenstischen Traumland gewesen, einem Relikt aus
einer alten, fernen Zeit, daß sie nicht mehr viele Fragen
hatten. Außerdem – waren sie eines Sinnes.
Es waren Menschen darunter, die die Fähigkeit hatten, in die
Zukunft zu sehen, Telepathen, die in der Lage waren, Gedanken zu
lesen und weiterzugeben.
Viele von ihnen waren schon seit Jahren verschollen, im Schlaf und
Traum auf rätselhafte Weise an einen anderen Ort versetzt
worden.
Niemand wußte etwas über ihr Schicksal.
Jeder einzelne sollte entscheiden, was nun aus ihm wurde.
Rückkehr zu den Freunden und Verwandten, zu den Familien, die
sie vor zehn oder mehr Jahren das letztemal gesehen hatten –
oder Heimatrecht auf der unsichtbaren Insel.
Sie waren Menschen guten Willens, und von Rha-Ta-N’my und
einem Traumdämon gewissermaßen »aus dem Verkehr«
gezogen worden.
Sie konnten nun ein neues Leben beginnen, auf Marlos, der Insel
des Friedens.
Zuerst brachte man sie alle dahin.
Insgesamt waren es hundertdreiundvierzig Personen, die
Rha-Ta-N’my auf jene schreckliche Weise in einem Alptraum
gefangen gehalten hatte.
Björn, Carminia, Rani, Jim, Pepe – und auch Danielle
beteiligten sich am Transport dieser Menschen nach Marlos. Nach dem
Tod des Gnoms hatte Danielle de Barteaulieés Gedächtnis
wieder voll eingesetzt, und sie war nun wieder ganz die alte.
Zuletzt wurde der Spiegel der Kiuna Macgullyghosh abtransportiert
und auf seinen Stammplatz in die Geister-Höhle verfrachtet.
Die Stimmung auf der Insel war prächtig. Die Menschen waren
glücklich.
Einer fehlte noch. Nach der Rückkehr auf Marlos war er
nochmal aufgebrochen, um etwas zu ergründen.
Doc Shadow, der Geist der Schattenwelt, bewegte sich als
Unsichtbarer unter den Menschen und studierte deren Verhalten. Er
hatte Alan Kennan mitgenommen, der gleichzeitig mit den anderen auf
die Insel zurückgekehrt war. Kennans Aufgabe war es,
überall auf der Welt nach Menschen Ausschau zu halten, die als
Mitstreiter infrage kämen. Er hatte zehn weitere ausfindig
gemacht. Nun diente er Doc Shadow als Tauschobjekt. Während sein
Geist in die Tiefe des Totenreiches absank, benutzte Doc Shadow
seinen Körper. Nur in einem menschlichen Körper konnte er
jene Menschen aufspüren, die keine waren, sondern eine
»Omega-Seele« besaßen.
Wenn Rha-Ta-N’my vernichtet war, durften auch die
»Omegas« nicht mehr existieren, denn es gab ein ehernes
Gesetz: Hilfskräfte waren auf Gedeih und Verderb mit der
Dämonengöttin verbunden. Wenn sie unterging, wurden sie
mitgerissen…
Björn Hellmark wollte den Sieg über seine Erzfeindin
gebührend feiern. Mit allen Freunden und Bekannten. Er
ließ die Vorbereitungen einleiten.
Niemand sollte fehlen.
»Auch Richard Patrick nicht«, sagte er glücklich.
»Ich habe das Gefühl, daß wir Dämonenmaske und
›Schwert des Toten Gottes‹ an den Nagel hängen
können, Schoko«, meinte er zärtlich zu der Frau, die
er liebte, und die ihm in einem zweiten Leben wiedergeschenkt worden
war. »Die Kräfte, die durch Rha-Ta-N’my geweckt
wurden, sind jetzt geschwächt und werden
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