Macabros Neu 01 - Der Leichenorden von Itaron
hatte. Auch der Kularide verschwand von Ort seines bevorstehenden Todes und materialisierte direkt neben Björn Hellmark.
Das Skelett starrte auf die Wurzelstränge, die niemanden mehr hielten, und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Der Fremde war einfach aus der Umklammerung der Äste geflohen, und er hatte den Kulariden mit sich genommen! Dies war ein ungeheuerlicher Vorgang und ein Novum in der »Geschichte« Itarons, in der jede Art von größerer Veränderung völlig undenkbar war.
Der Knochenmann rief die anderen Skelette und die elefantengroßen Bestien, die noch existierten, zu sich. Gleichzeitig befahl er die Armee der ›vergangenen Seelen‹ zu sich … unheimliche Kreaturen aus der Tiefe der Erde, die dem Leichenorden als stille Reserve dienten.
»Dieser Mensch wollte Krieg …«, grollte der Knochenmann, »und er wird ihn bekommen!«
Diesmal waren Rani und Danielle eine Zehntelsekunde schneller als der Dämon.
Der Koloss von Bhutan warf sich zur Seite, krachte voll gegen eines der Gemälde vom Sternenschloss und schleuderte es mit seinem Körpergewicht aus der Rahmenhalterung. Der Ektoplasma-Tentakel schnappte ins Leere.
Ri-la’rh im Körper des Journalisten brüllte vor Zorn.
Danielle unterdessen wandte ein weiteres Mal ihre Kräfte an, reckte ihre überkreuzten Finger vor – und blockte damit den ersten ungestümen Angriff. Es war, als tose mit einem Mal ein Sturm durch das Atelier, der den Dämon brutal erwischte und ihn nach hinten trieb.
Diese Urgewalt konnte Danielle jedoch nicht lange aufrechterhalten.
Bottlinger, der Borniers Gestalt angenommen hatte, krachte gegen die Wand, sein Hemd zerriss … und ein unerträglicher Gestank erfüllte auf einmal den Raum.
Etwas fiel zu Boden. Ein dunkler, unscheinbarer Lappen …
Die Dämonenmaske!
Ri-la’rh hatte sie die ganze Zeit über am Körper getragen!
Aber das war eigentlich unmöglich, denn allein die Ausstrahlung der Maske war für Dämonen äußerst unangenehm. Sie vermieden es, auch nur in ihre Nähe zu kommen.
Innerhalb eines Augenblicks begriff Rani Mahay die Zusammenhänge.
Ri-la’rh hatte der Versuchung nicht widerstehen können. Die Dämonenmaske – eine der mächtigsten Waffen gegen Rha-Ta-N’mys Schergen – in seiner Hand … Er hatte sie trotz der Qualen, die ihre Nähe ihm verursachte, an sich gebracht. Vermutlich half ihm dabei die Tatsache, dass er ein Nebeldämon war und der Körper Andreas Bottlingers, von dem er Besitz ergriffen hatte, einem Menschen gehörte.
Trotzdem waren die Folgen, die der Kontakt mit der Maske für Ri-la’rh hatte, unübersehbar. Die Stelle, wo er sie unter der Kleidung getragen hatte, war geschwärzt. Ein Loch hatte sich in das Hautgewebe gebrannt, sodass es schwarz und rissig geworden war. Es gab keinen Zweifel, dass Bottlingers Körper dem Tod geweiht war. Ri-la’rh musste unfassbare Schmerzen erleiden.
Aber genau diese Schmerzen waren Ranis und Danielles Chance!
Durch sie war der Dämon geschwächt.
Rani kam auch schon eine Idee, wie er diese Schwäche ausnutzen konnte. An die Dämonenmaske kam er nicht heran. Dazu hätte er an den Nebeltentakeln, die aus Bottlingers Körper ragten, vorbeikommen müssen. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit …
»Danielle!«, schrie er, während schon wieder nebelartige Ausläufer aus sie zurasten. Borniers Augen funkelten in einem dunklen Feuer, als würden sie von innen heraus leuchten – es war der Blick des Dämons, der seinen Gastkörper vollständig übernommen hatte.
»Die Bilder, Danielle«, rief Rani. »Er braucht sie … zünde sie an!«
»Nein!«, brüllte der Dämon in wütendem Zorn. »Ihr werdet …«
Da hatte Danielle de Barteauliee längst gehandelt und einige magische Worte gesprochen. Eine Flamme schlug aus dem Gemälde, das noch auf der Staffelei stand; die Feuerlohe verpuffte mit einem Knall, doch die Leinwand brannte weiter. Die Ölfarben zerschmolzen und rannen über das Bild hinab.
Dann packte der neue Bornier Danielle, umklammerte ihr Handgelenk und verhinderte so, dass sie die Finger in die notwendige Stellung bringen konnte, um weiter ihre Hexenkräfte anwenden zu können. Gleichzeitig wanden sich Ektoplasma-Stränge um ihren Leib, quollen auch auf ihr Gesicht zu, wollten in Mund und Nase eindringen.
Danielle presste die Lippen aufeinander, versuchte den Kopf wegzudrehen … vergeblich! Schon drückte etwas furchtbar schmerzhaft auf die Augen. Ihre Wahrnehmung verschwamm in diffusen Nebelschleiern.
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