MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
aus. »Nein. Haben die nichts Besseres zu tun?«
»Als das Leben anderer einfach nur aus dem Grund zu erschweren, weil sie es können? Nein. Es liegt in der Natur der Menschen, fürchte ich, sich grundlos und ungefragt unfreundlich über andere zu äußern, die sie meist noch nicht einmal kennen.«
Wahrere Worte waren selten gesprochen worden.
Simon räusperte sich. »Nun, wenn Ihr nicht von dem Klatsch sprecht, warum habt Ihr dann so finster ausgesehen?«
»Ich habe draußen mit Damien St. Cyr gesprochen. Er hat mich gewarnt, darauf zu achten, wem ich vertraue. Dass andere nicht so sorgsam mit ihrem Vertrauen umgingen wie ich.«
»Hm.«
Hinter dem nichtssagenden Laut verbarg sich mehr. »Was ist?«
Simon verschränkte die Arme vor seiner Brust. »Ich finde es selbst seltsam. Genau das hat Stryder immer gesagt, als wir noch Jungen waren.«
Das war allerdings interessant. »Denkt Ihr, das war eine Warnung vor Stryder?«
»Bei Damien weiß man das nie. Ihm ist etwas ganz Schreckliches im Heiligen Land zugestoßen. Er kam nicht gesund zurück, und damit meine ich nicht nur, dass sein Gesicht entstellt ist. Ich glaube, sein Geist hat Schaden genommen.«
»Entstellt?«
Er nickte. »Ja, deswegen trägt er die Maske. Offenbar haben die Sarazenen ihn gefoltert und dabei sein Gesicht zerstört. Meines Wissens hat es niemand nach seiner Rückkehr gesehen.«
»Ich dachte schon, er hat vielleicht Aussatz.« »Nein. Aber den Geschichten nach, die kursieren, würde er das wohl vorziehen.«
Zweifelsohne. Lochlan atmete langsam und erschöpft aus, während er die Menge nach einer schlanken dunkelhaarigen Gestalt absuchte.
»Wenn Ihr Eure Lady sucht, sie haben sie nach oben gebracht, sobald sie wieder im Saal war. Vermutlich, um sie von Euch fortzuschaffen und ... wie hat der Alte es ausgedrückt? Von Euren lüsternen Lippen.«
Von Simon derart aufgezogen zu werden, war er nicht gewohnt. Er schnitt eine Grimasse. »Soll ich mich jetzt besser fühlen?«
Simon grinste übermütig. »Nein, ich hatte gehofft, Euch bis zur Weißglut zu reizen.«
»Aus irgendeinem besonderen Grund?«
»Ach nein, das ist nur mein Wesen. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigt, ich sehe, meine liebste Gattin versucht, sich aus ihrem Stuhl zu erheben. Ich gehe besser, um ihr behilflich zu sein.«
Lochlan beobachtete, wie Simon an die Seite einer zierlichen, aber sonst äußerlich unauffälligen Frau ging. Ihre Züge wurden in dem Augenblick weich, als sie ihren Mann sah, und bei der Liebe, die sich in ihrer Miene widerspiegelte, wurde ihm die Brust ganz eng. Er würde alles dafür geben, dass eine Frau ihn so anschaute.
Nur einmal.
Simon küsste seiner Frau die Hand, ehe er sie praktisch aus dem Stuhl hob und auf die Füße stellte. Er bot ihr seinen Arm und geleitete sie zur Treppe.
Lochlan blickte hoch zur Decke über seinem Kopf und überlegte, wo Catarina wohl war und was sie gerade tat. Er spürte ihre Abwesenheit wie einen körperlichen Schmerz.
Aber sie wären bald wieder beisammen. Sich mit dem Gedanken tröstend, ging er zurück zu seinem Zelt.
Cat konnte nicht aufhören, auf und ab zu laufen; die Zeit zog sich endlos in die Länge. Es stimmte wirklich, dass die Zeit nur dann verflog, wenn man etwas gerne tat. Wenn man litt, verging sie im Schneckentempo.
Aber schließlich war es Mitternacht.
Erleichtert benutzte sie die Ausrede, zum Abtritt zu müssen, um an den Wachen und Reginalds Gemahlin vorbeizukommen. Sobald sie sicher war, dass man ihr nicht folgte, lief sie zu dem Garten, in dem sie Lochlan vor einigen Stunden zurückgelassen hatte.
Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden, sodass der Ort dunkel und gespenstisch wirkte. Ihre Phantasie überschlug sich, und sie sah Dämonen und Wölfe in jedem Schatten lauern.
Oder schlimmer noch, jemanden, der die Wachen rufen würde.
Sie ging langsam, aber zielstrebig, bis sie an der Stelle angekommen war, an der sie vorhin gestanden hatten.
Ihr Herz klopfte wild, und sie versuchte durch die Dunkelheit zu spähen, um ihren Retter zu finden. Wo steckst du, Lochlan? Die Frage schoss ihr wieder und wieder durch den Kopf, bis sie jemanden hinter sich treten spürte.
Lächelnd drehte sie sich um ... Aber das Lächeln erlosch, als sie das Gesicht des Mannes sehen konnte.
Es war nicht Lochlan.
Entsetzt begann sie rückwärtszugehen, nur um gegen einen anderen Mann zu stoßen. Der war groß und kräftig und betrachtete sie mit einem bösartigen Funkeln in den Augen.
»Guten Abend,
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