MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
Eurer Mutter behandelt wurden. Daher wollte sie ihren Sohn so gut wie möglich beschützen. Unseligerweise starb sie, als Duncan erst acht Jahre alt war, sodass er von da an auf sich allein gestellt war. Er traf Kieran zufällig, und der erkannte ihn sofort als Bruder. Von da an hat er Duncan mit Essen und Kleidung versorgt, manchmal auch mit Geld. Es war Kieran, der ihm eine Lehrstelle beim Dorfschmied gekauft hat.«
Lochlan fluchte, als ihm wieder einfiel, wie Kieran einmal von ihrem Vater beim Stehlen ertappt worden war. Er hatte nie erklärt, warum er das getan hatte.
Jetzt begriff er es. Kieran hatte Lebensmittel für seinen Bruder beschafft.
»Warum hat er mir nichts verraten?«, fragte er leise.
»Duncan wollte es nicht. Er wollte nicht, dass irgendjemand von seiner Existenz erfuhr.«
»Aber er ist mit Kieran ins Heilige Land gezogen.«
Raziel nickte. »Er fand Kieran weinend am Seeufer. Kieran hat ihm erzählt, dass er nicht mehr nach Hause gehen könne. Da haben sie zusammen beschlossen, zuerst ihren Bruder Sin zu finden und mit ihm eine eigene Familie zu bilden, in der keiner enger mit einem verwandt war als der andere. Wo es keine harschen Worte geben würde oder verletzte Gefühle.«
Diese Worte trafen Lochlan tief. »Ich habe nie gegen einen meiner Brüder einen Groll gehegt.«
Kestrel blickte erst zu Raziel, dann zu Lochlan. »Es ist einfacher zu vergeben, als darum zu bitten.«
Lochlan nickte. Das stimmte. Kieran wäre sicher zu verlegen gewesen wegen dem, was er gesagt und getan hatte, um ihnen die Hand zu reichen und sich zu entschuldigen. »Ich kann nicht glauben, dass er tot sein soll.«
»Es tut mir leid, Lochlan«, flüsterte Catarina.
Er zog sie an sich. Zum ersten Mal war die Gewissheit über den Tod seines Bruders fast erträglich.
Fast.
Raziel trat vor. »Ich bin sicher, dass ihr alle von der Reise müde seid. Kommt mit mir, ich werde euch die Zimmer zeigen, wo ihr euch ausruhen könnt. Hättet ihr gerne etwas zu essen?«
Lochlan nickte. »Eine kleine Stärkung für die Dame. Ich weiß, dass sie kurz vor dem Verhungern steht.«
Kestrel räusperte sich. »Und ich bin mir beinahe sicher, dass die beiden gemeinsam ein Zimmer haben möchten.«
»Das gehört sich aber nicht«, wandte Lochlan rasch ein.
Kestrel verdrehte die Augen. »Dann, um Himmels willen, besorgt einen Priester und heiratet sie auf der Stelle.«
Raziel wirkte angesichts der bloßen Vorstellung entsetzt. »Das würde sich als äußerst schwierig erweisen. Der Schotte weigert sich, jemanden, der auch nur annähernd etwas mit der Geistlichkeit zu tun hat, in seiner Nähe zu dulden. Er glaubt, der Herr habe sich von ihm abgewandt, und daher will er keinen Priester hierhaben.«
Kestrel zog die Brauen zusammen. »Noch nicht einmal Christian von Acre?«
»Als Mitglied der Bruderschaft ist er eine Ausnahme und eigentlich auch kein echter Priester.«
»Nun gut, das mag stimmen«, sagte Kestrel. »Aber das hindert ihn andererseits nicht daran, eine Kutte zu tragen.«
Raziel ignorierte diesen Einwand und führte sie über den Flur zu einem großen Schlafzimmer. Als Lochlan sich zurückziehen wollte und Catarina allein lassen, fasste er ihn am Arm. »Niemand hier wird Euch verurteilen. Wir wissen, wie zerbrechlich und flüchtig das Leben ist. Nehmt Trost, wo und wann Ihr ihn findet, und vertraut darauf, dass wir kein Wort darüber verlieren werden.«
Lochlan wusste, er sollte gehen, aber das war das Letzte, was er tun wollte, daher war er dankbar, dass Raziel das verstand. »Danke.«
Raziel nickte und schloss die Tür hinter sich, er entfernte sich mit Kestrel.
Cat entging Lochlans Verunsicherung nicht, als er sich zu ihr umwandte, und sie musste lächeln. Nur er konnte sich um ihren Ruf ängstigen, nach allem, was sie miteinander geteilt hatten. Es war irgendwie süß.
»Wir werden den Priester schon noch finden, Lochlan. Keine Angst.«
Er nickte und löste seinen Schwertgürtel, er legte ihn zur Seite. Sein Schweigen bereitete ihr allmählich Sorgen. Er litt.
Also ging sie zu ihm, schlang ihre Arme um ihn und sagte: »Dein Bruder hat dich geliebt.«
Sie sah die Tränen in seine Augen treten, aber trotzdem gelang es ihm, sich zu beherrschen.
»Ich sehe ihn immer als Kind vor mir«, erklärte er leise. »Er war ein richtiger Lausejunge, immer zu Streichen aufgelegt. Er hat Disteln unter meinen Sattel getan oder in meine Stiefel. Einmal hat er mich mitten in der Nacht aufgeweckt, indem er behauptete, die Burg
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