MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
mir ist es nicht egal«, schaltete sich Catarina ein, der langsam der Geduldsfaden riss. Mit in die Hüften gestemmten Händen baute sie sich vor dem Schotten auf, musterte ihn von Kopf bis Fuß, als sei er nicht mehr als ein unartiger kleiner Junge, der sich schlecht benommen hatte und eine Standpauke verdiente. »Wie könnt Ihr es wagen, Sir?«
Der Schotte sah sie entgeistert an. »Habt Ihr den Verstand verloren, Weib?«
»Nein«, entgegnete sie und hob stolz den Kopf. »Das habe ich nicht, Ihr dagegen offenkundig schon.«
Das erzürnte ihn nur noch weiter; ein Muskel in seiner Wange begann zu zucken. »Weib ...«
»Mann!«, erwiderte sie und fiel ihm einfach ins Wort. »Ich habe für heute Nacht genug von Euren Tiraden gehört. Es ist nur billig, wenn Ihr Euch jetzt meine anhört.«
Lochlan war sich nicht sicher, wer von den Anwesenden am meisten erstaunt war, als der Schotte fast hilfesuchend zu Kestrel schaute.
Raziel machte einen Schritt auf sie zu, aber sie brachte ihn mit einem derart eisigen Blick zum Stehen, dass sogar Lochlan die Kälte spürte.
Dann richtete sie den frostigen Blick auf den Schotten. »Was Euch geschehen ist, ist schrecklich, keine Frage. Und ich trauere mit Euch um das, was Ihr verloren habt. Niemand sollte so leiden. Aber vielleicht könnt Ihr einen Augenblick mal innehalten in Eurem selbstmitleidigen Leben, um das Leiden eines anderen zu lindern. Nur einmal.«
Er näherte sich ihr mit hässlich verzogenen Lippen. »Ihr wisst nichts über Leid. Nichts.«
»Hier irrt Ihr erneut, Sir. Gründlich.« Ihre Stimme war kräftig, aufrichtig und klang wie bei einer Frau, die man zu weit getrieben hatte, um noch einen Rückzieher zu machen.
Sie stand ihm Auge in Auge gegenüber, so dicht, dass sich ihre Nasen fast berührten. Ihr war kein Zögern oder Zaudern anzumerken, sie schien völlig furchtlos. Lochlan hatte noch keine gesehen, die ihr gleichkam.
Als sie weitersprach, war ihre Stimme voller Schmerz, und ihre Worte weckten seinen Zorn auf das Schicksal. »Ich weiß genau, wie es ist, festgehalten und grundlos geschlagen zu werden. Ich habe mein Blut oft genug geschmeckt und gespürt, wie locker meine Zähne von den Schlägen saßen. Wenn Ihr auch nur einen Moment glaubt, Ihr wäret allein im Reich des Leidens, dann solltet Ihr noch einmal nachdenken. Die Welt ist voller Menschen, die Schmerzen haben. Wenn wir Glück haben, tragen wir nicht für alle sichtbar unsere Narben. Auf der anderen Seite ... Können wir uns wirklich glücklich schätzen?«
Sie gab ihm keine Gelegenheit zu antworten. »Wenn jemand Euch ansieht, Mylord, dann sieht er die Narben Eurer Geschichte und behandelt Euch mit Ehrerbietung. Wenn Ihr aber Lochlan oder mich anschaut, so urteilt Ihr über uns, ohne unsere Geschichte zu kennen und ohne den Preis zu kennen, den wir zu zahlen hatten. Wie könnt Ihr es wagen? Von allen Menschen solltet Ihr es doch eigentlich besser wissen.«
Lochlan hielt sich breit, jederzeit einzugreifen, sollte der Schotte die Hand heben.
Doch das tat er nicht. Er starrte sie nur an, als wollte er sie langsam, Stück für Stück auseinandernehmen.
»Ihr seid ein dreistes Frauenzimmer.«
»Und Ihr ein dickköpfiger Trottel.«
Der Schotte richtete sein gesundes Auge auf Lochlan und schüttelte den Kopf. »Möge der Himmel Mitleid mit dir haben, Mann, wenn das hier deine Frau ist. Du hättest dich von mir aufspießen und deinem Leiden ein Ende setzen lassen sollen. Dann wärest du wenigstens vor ihrer Zunge sicher.«
Lochlan zuckte nur die Achseln. »Ich mag diese Zunge eigentlich recht gern. Außerdem spricht sie oft Wahres aus.«
Der Schotte streckte die Hand aus und berührte sachte Catarinas Gesicht. Sein Blick wurde ein wenig milder. »Ich hatte vergessen, wie weich Frauenhaut sein kann.«
Er ließ seine Hand sinken, drehte sich zum Kamin um und stellte sich davor.
Lochlan runzelte die Stirn. Kestrel zuckte nur die Achseln, während Raziel vortrat und das Schwert des Schotten aufhob.
Plötzlich begann der Schotte mit leiser, belegter Stimme zu sprechen. »Kieran starb, damit ich dieses Leben leben kann.« Er lachte bitter, dann zuckte er wie vor Schmerz zusammen. »Er hat die Klinge abgefangen, die für mich bestimmt war, und ist in meinen Armen gestorben. Blut hustend bat er mich, dich um Vergebung zu bitten.«
Der Schotte stützte sich mit einer Hand am Kaminsims ab. »Er sagte, er wollte, dass du weißt, dass er nicht gemeint hat, was er gesagt hat, als ihr das letzte Mal
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