MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
miteinander gesprochen habt. Dass es gedankenlos war und grausam und dass er dich geliebt hat. Dass er dich geachtet und respektiert hat.« Er seufzte müde. »Alles, was er in jenem letzten Jahr im Gefängnis wollte, das wir zusammen verbracht haben, war, heimzukehren und euch alle wiederzusehen. Immer wieder hat er gesagt, dass Gott nicht so erbarmungslos sein könne, dass diese hässlichen Worte zwischen ihm und seinen geliebten Brüdern wirklich die letzten wären. Das war der Grund, warum er sich nicht einfach selbst damals am See das Leben genommen hat, auch wenn er nicht weiterleben wollte. Aber ihm fehlte der Mut, dir gegenüberzutreten. Er wollte nur, dass der Schmerz aufhört. Und ihn schreckte das Leid, das es für eure Mutter bedeutet hätte. Die Enttäuschung von dir und deinen Brüdern über ihn. Das war mehr, als er ertragen konnte, wenigstens glaubte er das damals.«
Lochlan biss die Zähne zusammen, er zuckte unter jedem der leisen Worte zusammen, die sich ihm wie Nägel ins Herz bohrten. Er wollte verzweifelt um den Bruder weinen, den er so geliebt hatte. Um den Bruder, den zu finden er gehofft hatte.
Aber er stand unter Fremden, und das allein half ihm, nach außen Fassung zu bewahren. Innerlich jedoch schrie er vor Schmerz, so, wie er es getan hatte, als er Kierans Schwert und Plaid am Ufer des Sees gefunden hatte.
Einmal mehr müsste er seiner Mutter die bittere Nachricht überbringen, dass ihr Sohn tot war. Es war das Letzte, was er tun wollte, aber wie Catarina gesagt hatte, er war kein Feigling, und außerdem war das nicht die Sorte Neuigkeit, die man von jemand anderem als der eigenen Familie erfahren sollte.
»Danke«, antwortete Lochlan über den Kloß in seinem Hals hinweg, »dass du versucht hast, ihn zu retten. Dass du bei ihm warst, als ich es nicht sein konnte.«
Da drehte sich Duncan zu ihm um, und als ihre Blicke sich trafen, erkannte Lochlan, dass nicht nur Blutsbande sie verbanden, sondern auch Kierans Liebe.
Er sah nur verschwommen wegen der unvergossenen Tränen in seinen Augen, aber er streckte seine Hand aus - zu seinem neuen Bruder. »Ich verstehe, weshalb du mich hasst, aber solltest du jemals etwas brauchen, lass es mich wissen. Ich werde kommen.«
Duncan starrte mehrere Sekunden lang auf die ausgestreckte Hand, dann nahm er sie und zog Lochlan an sich. »Er hat dich geliebt, Lochlan. Ich war neidisch, weil du ihm so viel bedeutet hast. Ihr alle habt das. Ich wusste immer, ich bin höchstens ein erbärmlicher Ersatz. Wenigstens glaubte ich das, bis er für mich gestorben ist. Aber dann war es zu spät ... für so etwas sollte es nie zu spät sein.«
Lochlan klopfte ihm auf den Rücken, während sein eigener Schmerz ihn schier würgte. »Ob Halbbruder oder richtiger Bruder, das macht für uns keinen Unterschied. Ein Bruder ist immer ein Bruder.«
Duncan drückte Lochlan an sich und verharrte so einen Moment. Dann stieß er sich mit einer Grimasse von ihm ab und ging zur Tür. »Ihr könnt hier über Nacht bleiben, wenn ihr wollt.« Damit zog er sich die Kapuze über den Kopf.
»Raziel«, knurrte er und blieb kurz auf der Schwelle stehen. »Ich hatte heute mehr Gesellschaft, als ich gewöhnlich wünsche. Das reicht. Stör mich heute Nacht keinesfalls noch einmal.«
Lochlan machte einen Schritt in seine Richtung, aber Raziel versperrte ihm den Weg, während Duncan die Kammer verließ.
»Bedrängt ihn heute nicht weiter«, bat er mit leiser, kehliger Stimme. »Es bereitet ihm körperliche Schmerzen zu sprechen und noch mehr, sich zu bewegen. Er muss sich nun ausruhen. Er möchte nicht, dass ihn jemand so elend sieht. Bitte, gönnt ihm die Würde, die er verdient.«
Lochlan wollte mehr erfahren, aber er verstand, was Raziel sagte. »Ihr kommt mir nicht wie ein Diener vor. Warum gehorcht Ihr ihm?«
»Duncan hat sein Gesicht für mich geopfert, als ich nicht mehr war als ein wertloser Hund. Es gibt nichts, das ich nicht für ihn täte.«
»Raziel gehört zu den wenigen Menschen, denen er vertraut«, erklärte Kestrel leise. Er schüttelte den Kopf. »Also ist Duncan der Überlebende. Jetzt wissen wir es mit Gewissheit.«
Catarina runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht. Wieso kannte Kieran ihn, du aber nicht?«
Das wusste Lochlan auch nicht.
»Er wuchs in einem Nachbardorf auf«, erklärte Raziel. »Seine Mutter hat ihn bei sich behalten. Sie hatte Angst, dass er ihr weggenommen werden könnte, und sie wusste, wie schlecht die anderen Bastarde des Lairds von
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