MacBest
abgebrannt, in einer gedankenlosen Art und Weise, und nur dann, wenn er wirklich sauer über etwas war. Außerdem konnte er jederzeit damit aufhören. Wenn er die Welt verwundete, so fügte er ihr Wunden zu, die rasch heilten.
Wer auch immer dieses Stück schrieb – er kennt sich mit der Magie des Theaters aus. Selbst ich glaube, was auf der Bühne geschieht, obgleich ich weiß, daß alles erfunden ist.
Das hat es also mit der Kunst auf sich, dem Leben einen Spiegel vorzuhalten. Darum ist alles genau verkehrt herum.
Wir haben verloren. Gegen diese Sache können wir nichts ausrichten – es sei denn, wir werden genau das, was wir nicht sind.
Nanny Ogg rammte ihr den Ellbogen in die Rippen.
»Hast du das gehört?« fragte sie. »Eine von ihnen hat gesagt, wir werfen Babys in den Kessel! Das ist eine Verleumdung! Ich bleibe hier nicht ruhig sitzen, wenn man behauptet, daß wir Babys in den Kessel werfen!«
Oma hielt Nanny am Schal fest, als sie aufzustehen versuchte.
»Verlier nicht die Beherrschung!« fauchte sie. »Sonst wird alles noch schlimmer.«
»›Von einem Flittchen im Graben geboren‹, haben sie gesagt«, meinte Nanny. »Damit ist sicher die junge Millie Hüftenschwung gemeint, die es nicht wagte, sich ihrer Mutter anzuvertrauen. Sie ging schließlich nach draußen, um Feuerholz zu sammeln. Meine Güte, sie hielt mich die ganze Nacht über beschäftigt. Brachte ein hübsches Mädchen zur Welt.Noch eine Verleumdung! Übrigens: Was ist ein Flittchen?«
»Worte«, murmelte Oma zu sich selbst. »Nur sie sind jetzt noch übrig: Worte.«
»Jetzt tritt ein Trompeter auf«, sagte Nanny. »Was hat er vor? Oh. Ende des ersten Akts.«
Man wird die Worte nicht vergessen, dachte Oma Wetterwachs. Sie entfalten Macht. Es sind verdammt gute Worte.
Erneut grollte Donner, und es folgte lautes Scheppern. Es klang nach einer Blechplatte, die jemandem aus der Hand rutschte und an die Wand prallte.
In der Welt außerhalb der Bühne preßte die Hitze wie ein Kissen herab und drückte das Leben aus der Luft. Oma sah, wie ein Lakai an den Herzog herantrat und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Nein, er unterbricht die Vorstellung bestimmt nicht, überlegte sie. Natürlich nicht. Er will, daß sie ihren Lauf nimmt.
Lord Felmet schien Omas heißen Blick am Nacken zu spüren. Er drehte sich um, sah sie an und lächelte dünn. Dann gab er Lady Felmet einen Stoß; Herzog und Herzogin lachten.
Oma Wetterwachs war häufig zornig. Sie sah darin eine ihrer Stärken. Echter Zorn gehörte zu den großen kreativen Kräften der Welt. Aber man mußte lernen, ihn zu kontrollieren. Man durfte ihn nicht davontröpfeln lassen. Nein, man mußte ihn ansammeln und mehren, ihn sorgfältig stauen, bis er ganze Täler im Bewußtsein füllte.
Und dann, wenn der Druck so sehr zunahm, daß alles nachzugeben drohte, öffnete man tief unten das Ventil im Damm und ließ vom eisenharten Strahl der Wut die Turbinen der Rache antreiben.
Oma spürte das Land selbst durchs knapp einen Meter dicke Fundament, durch die Steinplatten, eine Lage Leder und zwei Lagen Socken. Es wartete.
Sie hörte den König sagen: »Mein eigen Fleisch und Blut? Warum hat er mir das angetan? Ich werde ihn zur Rede stellen!«
Oma Wetterwachs griff sanft nach Nanny Oggs Hand.
»Komm, Gytha.«
Lord Felmet lehnte sich auf seinem Thron zurück, grinste vom einen Ohr zum anderen und freute sich über eine Welt, die für ihn wieder ins Lot kam. Die Dinge entwickelten sich besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Er fühlte es ganz deutlich: Die Vergangenheit schmolz hinter ihm wie Eis im Tauwetter des Frühlings.
Er gab einem Impuls nach und rief den Lakaien zurück.
»Ruf den Hauptmann der Wache!« befahl er. »Er soll die Hexen suchen und sie verhaften.«
Die Herzogin schnaubte.
»Weißt du nicht mehr, was beim letztenmal geschehen ist, Idiot?«
»Wir haben nur eine von ihnen eingekerkert«, erwiderte Lord Felmet. »Diesmal sind auch die beiden anderen dran. Der Trend der öffentlichen Meinung ist auf unserer Seite. So etwas bleibt auf Hexen nicht ohne Wirkung, verlaß dich drauf.«
Ihre Ladyschaft ließ die Fingerknöchel knacken, um zu zeigen, was sie von der öffentlichen Meinung hielt.
»Du mußt zugeben, Teuerste, daß mein Experiment funktioniert.«
»So scheint es.«
»Nun gut. Steh nicht einfach so herum, Mann. Vor dem Ende der Aufführung, sag ihm das. Er soll die Hexen hinter Schloß und Riegel bringen.«
Tod rückte den Pappschädel vor dem Spiegel
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