MacBest
schwieriger als mit Kronen.«
»Da irrst du dich«, widersprach Oma. »Und der Grund dafür: Es wimmelt überall von kleinen Kindern, und sie sehen alle gleich aus. Aber wahrscheinlich gibt’s nicht viele Kronen. Außerdem neigen sie dazu, gefunden zu werden. Irgendwie rufen sie Menschen zu sich. Wenn wir beschlössen, sie unter einen Stein zu stopfen – innerhalb einer Woche ließe sie sich durch Zufall entdecken. Ganz bestimmt.«
»Ja, du hast recht.« Nanny Ogg nickte würdevoll. »Wie oft ist es euch passiert, daß ihr einen magischen Ring in die tiefsten Tiefen des Meers werft, anschließend nach Hause zurückkehrt, um ein Häppchen Steinbutt zum Tee zu essen – und dann liegt der Ring plötzlich auf dem Tisch?«
Die Hexen überlegten.
»Nie«, sagte Oma Wetterwachs. »Und das gilt auch für euch. Hinzu kommt: Vielleicht will der Junge die Krone irgendwann zurück. Sie gehört ihm – das dürfen wir nicht vergessen. Könige messen Kronen große Bedeutung bei. Wirklich, Gytha, manchmal sind deine Bemerkungen …«
»Ich koche uns Tee«, bot sich Magrat fröhlich an und verschwand in der Spülküche.
Die beiden älteren Hexen saßen am Tisch und wahrten ein höfliches, angespanntes Schweigen. »Sie hat es hier recht hübsch, nicht wahr?« meinte Nanny Ogg nach einer Weile. »Blumen und so. Was sind das für Dinge an den Wänden?«
»Siegel und Amulette«, antwortete Oma Wetterwachs. »Oder so.«
»Schick«, sagte Nanny vorsichtig. »Und dann die Umhänge und Ruten und so.«
»Modern«, brummte Oma Wetterwachs und rümpfte die Nase. »Als ich ein Mädchen war, begnügten wir uns mit einem Klumpen Wachs und einigen Nadeln. Damals mußten wir unseren eigenen Zauber entwickeln.«
»O ja, seitdem haben wir alle viel Wasser gelassen«, sagte Nanny Ogg weise und wiegte den kleinen Jungen.
Oma Wetterwachs schniefte. Nanny Ogg hatte drei Ehen hinter sich und regierte über einen ganzen Clan aus Kindern und Enkeln überall im Königreich. Für Hexen war es nicht direkt verboten zu heiraten – Oma gab das widerstrebend zu. Aber nur sehr widerstrebend. Erneut schniefte sie mißbilligend. Ein Fehler, wie sich herausstellte.
»Was ist das für ein Geruch?« fragte sie scharf.
»Oh.« Nanny Ogg rückte das kleine Kind zurecht. »Ich sehe mal nach, ob Magrat ein paar saubere Tücher hat.«
Daraufhin war Oma Wetterwachs allein. Eine seltsame Verlegenheit erfaßte sie, typisch für jemanden, der allein im Zimmer einer anderen Person ist. Sie widerstand der Versuchung, sich die Bücher im Regal anzusehen oder am Kaminsims nach Staub zu suchen. Langsam drehte sie die Krone hin und her, und das Objekt schien größer und schwerer zu werden.
Sie bemerkte einen Spiegel über dem Kamin und blickte auf die Krone hinab. Der funkelnde Gegenstand war verlockend, schien geradezu darum zu flehen, aufgesetzt zu werden. Nun, warum nicht? Oma vergewisserte sich, daß niemand zusah, nahm rasch den Hut ab und ersetzte ihn durch die Krone.
Sie schien gut zu passen. Oma Wetterwachs richtete sich stolz auf, trat vor den Herd und winkte gebieterisch.
»Gar nicht schlecht«, murmelte sie und winkte arrogant in Richtung der Standuhr. »Runter mit der Rübe, ha!« befahl sie und lächelte grimmig.
Und dann erstarrte sie plötzlich, als sie Schreie hörte, das Donnern von Hufen, das Zischen von Pfeilen, dumpfes Pochen, mit denen sich Speere in menschliches Fleisch bohrten. Angriffswelle auf Angriffswelle flutete durch Omas Kopf. Erbarmungslose Schwerter schlugen auf Schilde, gegnerische Klingen oder Knochen. Die Gewalt vieler Jahre kondensierte in einer Zeitspanne, die wenige Sekunden umfaßte. Manchmal glaubte die Hexe, bei den Toten zu liegen oder an einem Ast zu baumeln. Da gab es Hände, die nach der Krone griffen, sie auf ein Samtkissen legten …
Oma Wetterwachs nahm sie behutsam ab – es fiel ihr sehr schwer; die Krone wollte auf ihrem Kopf bleiben – und legte sie auf den Tisch.
»Das bedeutet es also, König zu sein«, murmelte sie. »Warum halten das so viele für erstrebenswert?«
»Möchtest du Zucker?« erklang Magrats Stimme hinter ihr.
»Man muß als Narr zur Welt kommen, um König zu werden«, befand Oma.
»Bitte?«
Sie drehte sich um. »Ich habe dich gar nicht hereinkommen sehen. Was hast du gesagt?«
»Möchtest du Zucker in den Tee?«
»Drei Löffel«, erwiderte Oma Wetterwachs sofort. Eine der wenigen Betrübnisse ihres Lebens bestand darin, daß sie trotz aller Anstrengungen den Gipfel ihrer Karriere
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