MacBest
Bühne.
»Reg dich jetzt nicht auf, Esme«, sagte Nanny, die ebenfalls von Omas Ansichten wußte. »Diese Stelle ist gut. Ich verstehe langsam, worum’s geht.«
Jemand tippte Oma auf die Schulter. »Würdest du bitte den Hut absetzen, gnä’ Frau?«
Oma Wetterwachs drehte sich ganz langsam um, als werde sie von unsichtbaren Motoren bewegt, richtete einen hundert Kilowatt starken diamantblauen Blick auf den hinter ihr sitzenden Zuschauer. Der Mann schien regelrecht zu verwelken, krümmte sich zusammen und versuchte, mindestens einen halben Meter kleiner zu werden.
»Nein«, sagte Oma.
Der Mann dachte über seine Möglichkeiten nach. »Na gut«, murmelte er.
Oma Wetterwachs nickte den Schauspielern zu, die eine Pause eingelegt hatten, um sie zu beobachten.
»Warum starrt ihr so?« knurrte sie. »Macht weiter!« Nanny Ogg reichte ihr eine zweite Tüte.
»Wie wär’s mit einem Pfefferminzbonbon?« fragte sie.
Es herrschte wieder Stille im improvisierten Theater, abgesehen von den stockenden Stimmen der Schauspieler, die immer wieder zur sehr ernsten Oma Wetterwachs hersahen. Hinzu kamen saugende Geräusche, verursacht von zwei Pfefferminzbonbons, die unerbittlich von einer Wange zur anderen geschoben wurden.
Dann sagte Oma Wetterwachs mit so schneidender Stimme, daß einer der Schauspieler sein Holzschwert fallen ließ: »Dort drüben hockt ein Mann, der den anderen dauernd etwas zuflüstert!«
»Ein Souffleur«, erklärte Magrat. »Er teilt ihnen mit, was sie sagen sollen.«
»Wissen sie das nicht?«
»Ich vermute, sie vergessen’s dauernd«, erwiderte Magrat verdrießlich. »Aus irgendeinem Grund.«
Oma stieß Nanny Ogg an.
»Was ist jetzt los?« fragte sie. »Warum treiben sich dort so viele Könige und andere Leute herum?«
»Ein Bankett hat begonnen«, entgegnete Nanny Ogg bestimmt. »Wegen des toten Königs, weißt du noch, der Bursche mit den schmutzigen Stiefeln, allerdings, ich meine, wenn du genau hinsiehst, er ist nun als Soldat verkleidet, und alle halten Reden darüber, wie gut der König war und wer ihn ermordet haben mag.«
»Tatsächlich?« Oma Wetterwachs schnitt eine grimmige Miene, musterte die Schauspieler und hielt nach dem Mörder Ausschau.
Sie traf eine Entscheidung und stand auf.
Ihr schwarzer Schal entfaltete sich wie die Schwingen eines Racheengels, der kam, um die Welt von allem Närrischen zu befreien, von Heuchelei, Verschlagenheit und Schande. Sie schien größer zu sein als sonst und richtete einen zornigen Zeigefinger auf den Schuldigen.
»Er hat es getan!« rief Oma Wetterwachs triumphierend. »Wir haben ihn alle dabei gesehen! Er hat den König mit einem Dolch erstochen!«
Zufriedene Zuschauer verließen das Theater. Es war eine gute Vorstellung gewesen, fanden sie, wenn auch ein wenig schwierig zu verstehen. Sie hatten herzhaft gelacht, als alle Könige fortliefen, die in Schwarz gekleidete Frau aufsprang und unüberhörbar laut den Mörder entlarvte. Allein diese Schlußszene war den halben Taler Eintritt wert.
Die drei Hexen saßen nun allein am Rand der Bühne.
»Ich frage mich, wie sie alle die Könige und Lords dazu bringen, hierherzukommen und Reime zu sprechen«, überlegte Oma Wetterwachs völlig unbeeindruckt. »Ich dachte, sie seien viel zu beschäftigt. Mit dem Regieren und so.«
»Nein«, erwiderte Magrat verzagt. »Ich fürchte, du verstehst noch immer nicht, worum es beim Theater geht.«
»Nun, ich werde der Sache auf den Grund gehen«, versprach Oma. Sie stand auf und zog einen Sackleinenvorhang beiseite.
»Du!« rief sie. »Du bist tot!«
Die ehemalige Leiche – sie aß gerade ein Schinkenbrot, um ihre Nerven zu beruhigen – fiel vom Stuhl.
Oma Wetterwachs trat nach einem Busch. Ihr Fuß hinterließ ein Loch darin.
»Na bitte!« wandte sie sich an die Welt im allgemeinen. Eine seltsame Art von Genugtuung kam in diesen beiden Worten zum Ausdruck.
»Nichts ist wirklich! Alles nur Farbe und Stöcke und angeklebtes Papier.«
»Kann ich euch irgendwie helfen, verehrte Damen?«
Es war eine volle, herrliche Stimme, und jeder Diphtong nahm genau den richtigen Platz ein. Es war eine goldbraune Stimme. Wenn der Schöpfer des Multiversums eine Stimme hatte, so zeichnete sie sich durch diesen Klang aus. Es gab nur einen Nachteil: Es handelte sich nicht um eine Stimme, mit der man Kohlen bestellen konnte. Wenn man mit dieser Stimme Kohlen bestellte, dann bekam man Diamanten.
Offenbar gehörte sie einem großen, dicken Mann, in dessen Gesicht ein
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