MacBest
jemandem passieren kann«, murmelte Magrat, als die Herzogin vor und zurück schwankte.
»Bei den Göttern, wo ist deine Phantasie, Mädchen?« entgegnete Oma. »Es gibt weitaus schlimmere Dinge. Etwa Nadeln unter den Fingernägeln. Und dann Kneifzangen und so.«
»Rotglühende Messer, die an unangenehme Stellen geschoben werden«, fügte Nanny hinzu. »Und zwar mit dem Griff voran, so daß man sich die Finger aufschneidet, wenn man sie herauszuziehen versucht …«
»Dies ist einfach mein schlimmster Zauber«, sagte Oma Wetterwachs geziert. »Und ich halte ihn für angemessen. Jede Hexe sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Etwas Dramatisches ist gar nicht notwendig. Die meiste Magie spielt sich im Kopf ab. Pschikologie. Und jetzt …«
Die Herzogin gab ein seltsames Geräusch von sich – es klang, als sei zwischen ihren Lippen ein Gasleck entstanden. Sie öffnete die Augen, blinzelte und sah Oma an. Purer Haß glühte in ihren Zügen.
»Wachen!« rief sie. »Nehmt sie endlich gefangen!«
Omas Kinnlade sank nach unten. »Was?« brachte sie hervor. »Aber … Ich habe dir doch gerade dein wahres Selbst gezeigt …«
»Was mich zutiefst erschüttern sollte, nicht wahr?« Die Soldaten griffen zögernd nach Omas Armen, und Lady Felmet beugte sich zu ihr vor. Ihre buschigen Brauen bildeten ein V aus triumphierendem Haß. »Erwartest du, daß ich jetzt auf dem Boden umherkrieche? Nun, altes Weib, ich kenne jetzt mein wahres Selbst, jawohl, und ich bin stolz darauf! Ich würde alles wiederholen, nur heißer und länger! Ich hab’s genossen und es getan, weil ich es wollte!«
Lady Felmet klopfte sich an die recht umfangreiche Brust.
»Ihr gaffenden Idioten!« fuhr sie fort. »Ihr seid so schwach. Ihr glaubt tatsächlich, daß die Menschen tief in ihrem Innern gut sind, nicht wahr?«
Die Wucht ihres Frohlockens trieb die Menge auf der Bühne zurück.
»Nun, ich habe im ›tiefen Innern‹ nachgesehen«, sagte die Herzogin. »Ich weiß, was Menschen antreibt. Furcht. Fest verwurzelte Furcht. Ihr alle fürchtet mich. Ich kann euch einen solchen Schrecken einjagen, daß ihr alle mit gefüllten Unterhosen nach Hause rennt, und jetzt werde ich …«
Nanny Ogg schlug ihr den Kessel auf den Kopf.
»Sie ist ziemlich stur, nicht wahr?« meinte sie im Plauderton, als Lady Felmet zu Boden sank. »Mindestens ebenso exzentrisch wie der Herzog, wenn ihr mich fragt.«
Lange peinliche Stille folgte.
Oma Wetterwachs räusperte sich, sah die Soldaten mit einem strahlenden, freundlichen Lächeln an und deutete auf den purpurnen Berg.
»Bringt sie in irgendeinen Kerker«, befahl Oma den Männern. Die Wächter nahmen Haltung an, griffen nach den Armen der Herzogin und zogen sie mit beträchtlicher Mühe hoch.
»Bitte behandelt sie nicht zu grob«, sagte Oma Wetterwachs.
Sie rieb sich die Hände und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Tomjon, der sie mit offenem Mund beobachtete.
»Verlaß dich drauf«, zischte sie. »Hier und heute, mein Junge. Du hast keine Wahl. Du bist der König von Lancre.«
»Aber ich weiß doch gar nicht, wie man ein König ist.«
»Wir haben dich alle gesehen! Vorhin warst du ein richtiger Monarch;
selbst am Rufen und Schreien gab’s nichts auszusetzen.«
»Ich habe doch nur eine Rolle gespielt!«
»Dann spiel sie weiter. König zu sein bedeutet …« Oma Wetterwachs zögerte, wandte sich an Magrat und schnippte mit den Fingern. »Wie nennt man die komischen Dinge, die immer zu hundert in anderen Dingen sind?«
Magrat dachte verwundert nach. »Meinst du Prozente?« fragte sie.
»Ja, genau«, pflichtete ihr Oma bei. »Meiner Meinung nach muß man die meisten Prozente über eine Rolle spielen, wenn man König ist. Das sollte dir keine Probleme bereiten.«
Tomjon drehte den Kopf und warf einen flehentlichen Blick zu den Seitenkulissen, wo er Hwel vermutete. Der Zwerg befand sich tatsächlich dort, schenkte ihm jedoch keine Beachtung. Er saß an einem kleinen Tisch, lenkte einen eifrigen Federkiel übers Papier und schrieb das Stück um.
ICH VERSICHERE DIR, DASS DU NICHT TOT BIST. GLAUB MIR.
Der Herzog kicherte. Er hatte irgendwo ein Laken gefunden und benutzte es wie einen Umhang, während er durch die leeren Flure des Schlosses schlich. Manchmal stöhnte er ein dumpfes »Huuuuuh«.
Besorgnis erfaßte Tod. Er war an Menschen gewöhnt, die darauf beharrten, nicht tot zu sein; der Tod kam immer als ein Schock, und den meisten Leuten fiel es schwer, sich damit abzufinden. Aber jemand, der
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