MacBest
daran gewöhnt, es mit Millionen von Menschen zu tun zu haben, aber gleichzeitig blieb jeder individuelle Tod einzigartig und persönlich.
Für gewöhnlich sahen ihn nur Leute mit okkulten Tendenzen und natürlich seine Kunden. Der Grund: Das menschliche Gehirn ist schlau genug, um alle schrecklichen Anblicke zu filtern, mit denen es nicht fertig werden kann. Doch jetzt bestand das Problem darin, daß mehrere hundert Personen erwarteten, den Tod zu sehen, und deshalb nahmen sie ihn wahr.
Tod drehte sich langsam und starrte in Hunderte von aufmerksamen Augen.
Auch im Griff der Wahrheit erkannte Tomjon einen Schauspielkollegen in Schwierigkeiten und versuchte, seine Lippen unter Kontrolle zu bringen.
»›… noch vorgeschobene Riegel …‹«, flüsterte er durch zusammengebissene Zähne.
Tod zeigte ihm ein erschrockenes Lampenfieberlächeln.
WAS? hauchte er, und seine Stimme klang wie ein Amboß, der von einem kleinen Bleihammer getroffen wurde.
»›… noch vorgeschobene Riegel halten mich …‹«, sagte Tomjon ermutigend.
WEDER SCHLÖSSER NOCH VORGESCHOBENE RIEGEL HALTEN MICH …ÄH … wiederholte Tod verzweifelt und sah auf die Lippen des jungen Mannes.
»›… zurück.‹«
ZURÜCK.
»Nein, ich kann nicht!« entfuhr es Wimsloe. »Man wird mich sehen!
Unten im Saal – jemand beobachtet uns.«
»Dort ist niemand.«
»Ich fühle den Blick!«
»Ängstlicher Hampelmann! Muß ich für dich zustoßen? Sieh nur, er steht schon auf der obersten Stufe!«
Furcht und Ungewißheit verzerrten Wimsloes Gesicht. Er zog den Arm zurück.
»Nein!«
Der Schrei kam aus dem Publikum. Der Herzog war halb aufgestanden und preßte sich weiße Fingerknöchel an den Mund. Schließlich taumelte er vor, schob sich an überraschten Zuschauern vorbei.
»Nein! Mich trifft keine Schuld! Ich war es nicht! Du kannst nicht behaupten, daß ich ihn getötet habe! Du bist nicht dabeigewesen!« Er sah in die ihm zugewandten Gesichter und ließ die Schultern hängen.
»Ich auch nicht«, kicherte er. »Ich habe geschlafen, wißt ihr. Ich erinnere mich genau daran. An das Blut auf der Tagesdecke, an das Blut auf dem Boden. Ich konnte es nicht abwaschen, aber das spielt bei dieser Ermittlung auch keine Rolle. Ich kann nicht zulassen, daß wir Angelegenheiten der nationalen Sicherheit erörtern. Es war nur ein Traum, und als ich erwachte, hätte er morgen noch gelebt. Und morgen wäre es nicht geschehen, weil es gar nicht passierte. Und morgen könnt ihr sagen, daß ich mich an nichts erinnerte. Wie laut er fiel! Laut genug, um die Toten zu wecken … Wer hätte gedacht, daß sein Körper soviel Blut enthielt …?« Lord Felmet stand inzwischen auf der Bühne, musterte die Schauspieler und grinste.
»Ich hoffe, damit ist alles klar«, sagte er. »Ha, ha.«
In der folgenden Stille öffnete Tomjon den Mund, um einige angemessen tröstende Worte zu sprechen, doch irgend etwas lähmte ihm die Zunge.
Dann glitt eine andere Person in ihn hinein, übernahm die Lippen und proklamierte:
»Mit meinem eigenen verdammten Dolch, du Mistkerl! Ich wußte, daß du es warst! Ich habe dich oben an der Treppe gesehen; hast am Daumen gelutscht. Bei den Göttern, ich würde dich jetzt umbringen – aber dann müßte ich eine Ewigkeit in deiner Gesellschaft verbringen und mir dein Gewinsel anhören. Ich, Verence, früherer König von …«
»Was für eine Zeugenaussage soll das sein?« fragte die Herzogin. Sie stand vor der Bühne, neben sechs Soldaten.
»Verleumdungen!« keifte sie. »Und üble Nachrede obendrein. Das Gefasel verrückter Schauspieler.«
»Ich war der verdammte König von Lancre!« rief Tomjon.
»Dann bist du das angebliche Opfer«, erwiderte Lady Felmet ruhig. »Und kannst deshalb nicht für die Anklage aussagen. So gebietet es die juristische Tradition.«
Tomjons Körper drehte sich zu Tod um.
»Du warst zugegen! Du hast es gesehen!«
ICH VERMUTE, DASS MAN MICH NICHT FÜR EINEN GEEIGNETEN ZEUGEN HIELTE.
»Also gibt es keine Beweise, und wo Beweise fehlen, gibt es kein Verbrechen«, erklärte die Herzogin. Sie winkte die Soldaten nach vorn.
»Soviel zu deinem Experiment«, wandte sie sich an Lord Felmet. »Ich glaube, meine Methode ist besser.«
Sie sah sich auf der Bühne um und richtete den Blick auf die Hexen.
»Nehmt sie gefangen!« wies Ihre Ladyschaft die Wächter an.
»Nein.« Der Narr trat hinter den Seitenkulissen hervor.
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe alles gesehen«, antwortete der Narr schlicht. »An
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