MacBest
jemand ins Moor, aber während der letzten Monate war vieles schlimmer geworden. Man begegnete den Hexen mit vagem Mißtrauen, und den Leuten in Lancre, die Kontakte zum Rest der Welt unterhielten, dämmerte langsam, daß sich a) entweder überraschend viele Dinge ereignet hatten, von denen sie nichts wußten, oder daß b) die Zeit aus den Fugen geriet. Es ließ sich kaum beweisen 19 , aber einige Händler, die nach dem Winter über die Bergpfade kamen, schienen älter zu sein, als sie es eigentlich sein sollten. Angesichts des hohen magischen Potentials der Spitzhornberge rechnete man dauernd mit unerklärlichen Geschehnissen, doch mehrere Jahre, die einfach über Nacht verschwanden … Das ging zu weit.
Magrat verriegelte die Tür, schloß alle Fensterläden und legte die Kristallkugel vorsichtig auf den Tisch.
Sie konzentrierte sich …
Der Narr döste unter den Planen des Flußkahns, der auf dem Ankh mit zwei Meilen pro Stunde stromaufwärts fuhr. Es handelte sich nicht um ein besonders aufregendes Transportmittel, aber irgendwann erreichte man das Ziel.
Er schien in Sicherheit zu sein, aber trotzdem wälzte er sich im Schlaf immer von einer Seite auf die andere.
Magrat fragte sich, wie es sein mochte, das ganze Leben mit einer Tätigkeit zu verbringen, die man haßte. Als sei man tot, dachte sie. Aber es ist noch schlimmer, weil man es erlebt und daran leidet.
Sie hielt den Narren für schwach und glaubte ihn in die Irre geleitet. Er brauchte eine gehörige Portion Rückgrat, jemand, der ihm half. Ungeduldig wartete sie auf seine Rückkehr, damit sie sich darauf freuen konnte, ihn nie wiederzusehen.
Es war ein langer, heißer Sommer.
Sie hatten es nicht besonders eilig. Es erstreckte sich viel Land zwischen Ankh-Morpork und den Spitzhornbergen, und die Reise machte Spaß, wie Hwel zugeben mußte. Für gewöhnlich gehörten solche Dinge nicht zur emotionalen Erfahrungswelt von Zwergen.
Wie du willst erzielte große Erfolge – das Stück kam immer gut beim Publikum an. Die Lehrlinge übertrafen sich selbst. Sie vergaßen ihren Text und improvisierten Witze; in Sto Lat zeigten sie den dritten Akt von Gretalina und Mellias vor den Kulissen des zweiten Akts von Der magische Krieg, aber niemand schien zu bemerken, daß die größte Liebesszene in der Geschichte vor einer gemalten Flutwelle stattfand, die sich über einen Kontinent ergoß. Die Erklärung: Tomjon spielte Gretalina. Er fesselte die Zuschauer so sehr, daß Hwel ihn bat, im nächsten Haus – wenn diese Bezeichnung für den gemieteten Schuppen angemessen war – die Rolle zu wechseln. Trotzdem verhielt sich das Publikum wie Rotwild, das des Nachts in besonders helles Licht sieht – obgleich Gretalina nun der junge Wimsloe war, der dazu neigte, sich steifbeinig zu bewegen und zu stottern. Hwel hoffte, daß irgendwann die Pickel aus seinem Gesicht verschwanden.
Am nächsten Tag, in einem namenlosen, von endlosen Kohlfeldern umgebenen Dorf, gab Hwel Tomjon die Rolle des Alten Miskin in Wie du willst – Vitoller hatte sie immer vollendet gespielt. Normalerweise kam dafür nur jemand in Frage, der mindestens vierzig war – es sei denn, man wollte einen Alten Miskin, der ein Kissen unter dem Wams und Falten aus sorgfältig aufgetragener Schminke trug.
Hwel hielt sich nicht für alt. Sein Vater hatte noch als Zweihundertjähriger drei Tonnen Erz am Tag gefördert.
Jetzt fühlte er sich alt. Er beobachtete, wie Tomjon über die Bühne humpelte, und für einige Sekunden wußte er, was es bedeutete, ein dicker, alter, in Wein eingelegter Mann zu sein, der längst vergessene Kriege führte und sich grimmig am Schluchtrand des mittleren Alters festklammerte, um nicht ins Greisenhafte zu stürzen – aber nur mit einer Hand, denn die andere zeigte dem Tod den Mittelfinger. Hwel hatte sich so etwas vorgestellt, als er die Szene schrieb, doch jetzt wurde sie real.
Dem neuen Stück mangelte es an dieser Art von Magie. Sie führten es einige Male auf, um zu sehen, wie das Publikum reagierte. Die Zuschauer schauten aufmerksam zu und gingen dann nach Hause. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, irgend etwas zu werfen. Es ging keineswegs darum, daß sie das Stück für schlecht hielten; sie wußten überhaupt nichts damit anzufangen.
Und doch hatte es alle notwendigen dramaturgischen Ingredienzen, oder? Das traditionelle Theater war voller Untertanen, die bösen Herrschern eine gerechte Lektion erteilten. Hexen beeindruckten immer, und das galt auch
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