MacBest
grinsen. Die übrigen Mitglieder der Theatergruppe schwiegen erwartungsvoll.
Bestimmt trägt er jetzt den Gnadenmonolog aus Die Sage vom Troll vor, dachte der Zwerg.
»Wenn ihr gestattet …«, begann Tomjon. Seine Haltung veränderte sich auf subtile Weise, und er streckte die rechte Hand aus. »›Der Wert des Menschen liegt nicht in tapfer’m Handeln mit blut’gem Stahl, auch nicht in Habgier oder dreistem Plündern …‹«
Hwel dachte an die Diebe, die in Ankh-Morpork den Narren niedergeschlagen hatten. Jetzt steht uns etwas ähnliches bevor, dachte er. Vielleicht geben sie uns ihre Schwerter – was sollen wir nur damit anfangen? Und es ist so peinlich, wenn sie zu schluchzen beginnen.
Im gleichen Augenblick gewann alles um ihn herum einen grünlichen Glanz, und Hwel glaubte, wie aus weiter Ferne leise Stimmen zu hören.
»Da sind Männer mit Schwertern, Oma!«
»… die Schönheit der Welt mit glüh’ndem Schwerte zu zerreißen …«, sagte Tomjon, und die Stimmen am Rand der Phantasie fügten hinzu: »Ich lasse nicht zu, daß mein König jemanden um etwas bitten muß. Gib mir den Milchkrug, Magrat.«
»… im Herzen des Mitgefühls, der Kuß …«
»Er ist ein Geschenk von meiner Tante.«
»… die Kostbarste aller Kostbarkeiten, die Krone der Kronen.« Stille folgte. Ein oder zwei Räuber hoben die Hände vors Gesicht und weinten leise.
»Ist das alles?« fragte der Anführer.
Zum erstenmal in seinem Leben wirkte Tomjon verblüfft.
»Nun, ja«, entgegnete er. »Äh. Möchtest du, daß ich es noch einmal wiederhole?«
»Es war ein guter Vortrag«, räumte der Räuber ein. »Aber ich weiß nicht, was er mit mir zu tun hat. Ich bin ein praktisch denkender Mann. Rückt nun eure Wertgegenstände heraus.«
Er hob das Schwert, und die Spitze verharrte dicht vor Tomjons Kehle.
»Die anderen sollten nicht wie Idioten herumstehen«, fügte er hinzu. »Bewegt euch! Sonst geht’s dem Jungen an den Kragen. An den Hals, meine ich.«
»Äh«, sagte der Lehrling Wimsloe vorsichtig.
»Was ist denn?« brummte der Räuber.
»B-bist du s-sicher, daß du r-richtig zugehört h-hast, Herr?«
»Ich wiederhole mich nicht gern. Entweder höre ich jetzt das Klimpern von Münzen, oder ihr hört ein Röcheln!«
Statt dessen hörten alle ein Pfeifen hoch in der Luft, kurz darauf gefolgt von einem lauten Krachen. Ein rauhreifbedeckter Milchkrug raste vom Himmel herab und traf die Spitze auf dem Helm des Anführers.
Die anderen Räuber betrachteten das Ergebnis ein oder zwei Sekunden lang, und dann flohen sie.
Die Schauspieler starrten auf den reglosen Mann. Hwel stieß einen Klumpen gefrorener Milch mit der Stiefelspitze an.
»Na so was!« murmelte er.
»Er hat überhaupt nicht auf den Monolog reagiert«, hauchte Tomjon fassungslos.
»Ein geborener Kritiker«, sagte der Zwerg. Es war ein blau-weißer Krug. Seltsam, daß man bei solchen Gelegenheiten bestimmte Einzelheiten bemerkte. Das Ding mußte schon mehrmals zerbrochen sein, denn man hatte die einzelnen Teile sorgfältig zusammengeleimt. Jemand hat diesen Krug geliebt, dachte Hwel.
»Bestimmt haben wir es hier mit einem absonderlichen Wirbelwind zu tun«, sagte er laut und versuchte, einen letzten Rest von Logik zu bewahren. »Ganz klar.«
»Milchkrüge fallen nicht einfach so vom Himmel«, erwiderte Tomjon und demonstrierte damit die erstaunliche menschliche Fähigkeit, das Offensichtliche zu leugnen.
»Vielleicht doch«, murmelte Hwel. »Ich meine, ich habe gehört, daß es Fische, Frösche und Steine geregnet hat. Warum nicht auch Geschirr?«Er erholte sich langsam von der Überraschung. »Es war nur eins von diesen ungewöhnlichen Phänomenen. In diesem Teil der Welt passieren sie dauernd, das ist ganz normal.«
Sie kletterten wieder auf die Karren und setzten den Weg in höchst ungewöhnlichem Schweigen fort. Der junge Wimsloe sammelte alle Scherben des Krugs ein, legte sie in eine Schachtel und verbrachte den Rest des Tages damit, den Himmel zu beobachten. Er hoffte auf eine Zuckerschüssel.
Die Wagen quälten sich über die staubigen Hänge der Spitzhornberge, kaum mehr als winzige Flecken im fleckigen Glas der Kristallkugel.
»Sind sie wohlauf?« fragte Magrat.
»Sie ziehen kreuz und quer umher«, erwiderte Oma. »Als Schauspieler mögen sie ganz gut sein, aber was das Reisen betrifft, müssen sie noch eine Menge lernen.«
»Es war ein hübscher Krug«, sagte Magrat. »Solche Krüge bekommt man heute nicht mehr. Ich meine, wenn du mich
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