MacBest
ab, singen Falala usw. Es regnet Rosenblätter. Glocken läuten. Götter kommen vom Himmel herab; Dämonen klettern aus der Hölle. Viel Trara mit der Drehscheibe etc.) Ende.
Hwel schnarchte.
In seinen Träumen stiegen Götter auf und fielen. Schiffe segelten kühn und geschickt über Leinwandozeane. Bilder sprangen umher und verschmolzen zu Dutzenden von verschiedenen Szenen. Menschen flogen an Drähten, und auch ohne. Große Schiffe der Phantasie rangen an imaginären Himmeln miteinander. Meere öffneten sich; Frauen wurden in der Mitte durchgesägt. Tausend Experten für Spezialeffekte kicherten und brabbelten. Mit verzweifelt ausgebreiteten Armen rannte der Zwerg durch das Durcheinander und wußte genau, daß dies alles nicht existierte und nie existieren würde, daß ihm in Wirklichkeit nur einige Quadratmeter Bühne, etwas Sackleinen und Farbe zur Verfügung standen, um die verlockenden Szenen in seinem Kopf festzuhalten.
Nur in unseren Träumen sind wir frei. Die meiste Zeit über brauchen wir Lohn.
»Ein gutes Stück«, lobte Vitoller. »Abgesehen von dem Geist.« »Der Geist bleibt«, sagte Hwel verdrießlich.
»Bei solchen Gelegenheiten stimmen Zuschauer immer ein hämisches Gelächter an und werfen mit Dingen. Außerdem weißt du, wie schwer es ist, den Kreidestaub aus der Kleidung zu entfernen.«
»Der Geist bleibt. Er ist eine dramatische Notwendigkeit.«
»Das hast du auch beim letzten Stück behauptet.«
»Und ich hatte recht.«
»Und bei Wie du willst, und bei Der Zauberer von Ankh, und bei allen anderen.«
»Ich mag Geister.«
Sie standen auf der einen Seite und beobachteten, wie die Zwergenhandwerker eine Wellenmaschine montierten. Sie bestand aus mehreren Spindeln, bedeckt von komplexen Leinwandspiralen, die blau, grün und weiß bemalt waren, sich über die ganze Länge der Bühne erstreckten. Eine verwirrende Vorrichtung aus Zahnrädern und Dutzenden von Riemen verband das Ding mit einem Tretwerk hinter den Kulissen. Wenn sich die Spiralen alle gleichzeitig drehten, mußten Zuschauer mit schwachen Mägen den Blick abwenden.
»Seeschlachten«, hauchte Hwel. »Wracks. Meergötter. Piraten!«
»Es quietscht und knarrt überall«, brummte Vitoller und stützte sichauf den Gehstock. »Wartungskosten. Überstunden.«
»Die Apparatur sieht außerordentlich – kompliziert aus«, gestand Hwel ein. »Wer hat sie entworfen?«
»Ein bekloppter alter Knabe«, erwiderte Vitoller. »Wohnt in der Straße schlauer Kunsthandwerker. Heißt Leonard von Quirm. Eigentlich ist er Maler, und mit solchen Sachen beschäftigt er sich nur in seiner Freizeit. Zufälligerweise hörte ich, daß er schon seit einigen Monaten an diesem Ding arbeitete. Ich hab’s rasch gekauft, bevor er damit fliegen konnte.«
Sie sahen, wie sich Leinwandwellen hoben und senkten.
»Du willst wirklich los?« fragte Vitoller schließlich.
»Ja. Tomjon ist noch immer ein bißchen – ungezügelt. Er braucht einen kühleren und älteren Kopf, der auf ihn achtgibt.«
»Um ganz offen zu sein: Ich werde dich vermissen, Bürschchen. Ich habe dich immer für eine Art Sohn gehalten. Wie alt bist du eigentlich? Ich weiß es noch immer nicht.«
»Hundertzwei.«
Vitoller nickte kummervoll. Er war sechzig und litt bereits sehr an seiner Arthritis.
»Dann sehe ich von jetzt an eine Art Vater in dir«, sagte er.
»Letztendlich gleicht es sich aus«, entgegnete Hwel zaghaft. »Halbe Größe, doppeltes Alter. Wenn man einen allgemeinen Durchschnitt als Maßstab nimmt, leben wir Zwerge etwa ebensolange wie Menschen.«
Der Direktor seufzte. »Nun, ich weiß nicht, wie ich ohne dich und Tomjon zurechtkommen soll. Im Ernst.«
»Es ist nur für einen Sommer, und die meisten jungen Leute bleiben hier. Eigentlich gehen nur die Lehrlinge. Du hast selbst gesagt, es sei eine gute Chance für sie, Erfahrungen zu sammeln.«
Vitoller schnitt eine Grimasse. In der Kühle des halb fertiggestellten Theaters wirkte er wesentlich kleiner als sonst, wie ein Luftballon zwei Wochen nach der Party. Mit dem Gehstock stocherte er nach einigen Sägespänen.
»Wir werden alt, Meister Hwel. Zumindest ich«, berichtigte er sich. »Ich werde alt, und du wirst älter. Wir haben bereits die Mitternachtsgongs gehört.«
»Ja. Du möchtest nicht, daß er aufbricht, oder?«
»Zuerst war ich dafür. Das weißt du ja. Dann dachte ich: Das Schicksal tritt auf. Wenn’s endlich einmal gut läuft, mischt sich immer das verdammte Schicksal ein. Ich meine, er kommt
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