Mach doch - Roman
sie da. Ob sie nun krank ist oder verrückt wie unsere Großmutter, ich muss für sie sorgen, so gut es geht. Wenn das bedeutet, dass ich meinen Wagen verkaufen muss, um ihren Anwalt zu bezahlen, dann soll es eben so sein.«
Spätestens jetzt hatte Jason erkannt, dass es keinen Sinn hatte. Sie würde sich nicht überzeugen lassen. Sie war entschlossen, an ihrer verzerrten Sichtweise festzuhalten. Doch er war genauso entschlossen, ihr klarzumachen, dass sie nicht für die Entscheidungen ihrer Schwester verantwortlich war.
»Du verstehst es einfach nicht, oder?«, sagte Lauren. »Vielleicht hilft es ja, wenn du es mit eigenen Augen siehst. Also, los.«
»Wo willst du hin?«
»Du hast doch versprochen, mich zu begleiten, wenn ich Beth das nächste Mal besuche. Jetzt bekommst du die Gelegenheit, dein Versprechen einzulösen. Ich brauche nämlich jemanden, der mich fährt, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Hopp, hopp!«
Sie ging zur Tür. An der Schwelle hielt sie inne und sah sich zu ihm um. »Worauf wartest du noch?«
Er trat zu ihr. »Das kommt jetzt bloß etwas überraschend. Ich hatte nicht erwartet, dass du nach der Unterhaltung gerade eben eine Fahrt nach Bricksville vorschlagen würdest.«
Sie zuckte die Achseln. »Tja, wie heißt es so schön: Die Geister, die ich rief … «
Jason folgte ihr widerstrebend nach draußen. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass ihm eine unheilvolle Begegnung bevorstand.
Sie schwiegen praktisch die ganze einstündige Fahrt über. Als sie schließlich vor Beths Zimmer im Gefängnis von Bricksville standen, bekam Jason einen Eindruck davon, was Lauren bei jedem ihrer Besuche hier durchmachte. Jetzt bewunderte er sie noch mehr dafür, dass sie immer wieder hierherkam, ohne sich je zu beklagen.
»Tag, Beth«, begrüßte Lauren ihre Schwester, als sie eintraten. Ihre Stimme klang unnatürlich hoch und fröhlich.
Beth Perkins lag in ihrem Bett und starrte geradeaus. Ihr Körper wirkte in den weißen Laken genauso zerbrechlich, wie Lauren es geschildert hatte.
Jason hatte Beth nie näher kennengelernt. Als sie zu ihrer Großmutter nach Perkins gezogen war, hatte er schon nicht mehr in der Gegend gelebt, und auch aus der Zeit davor hatte er nur vage Erinnerungen an die jüngere Schwester des Mädchens, mit dem er damals den Sommer verbracht hatte. Doch um ihre Verbrechen rankten sich allerlei Gerüchte, und die waren ihm alle wohlbekannt. Es hieß, hinter der zerbrechlichen Fassade verberge sich ein eiskaltes, herzloses Wesen. Er hätte sich nur zu gern vom Gegenteil überzeugen lassen, weil er Lauren liebte. Und er fand es trotzdem schier unmöglich, weil er ein Corwin war.
»Beth, ich habe einen Besucher mitgebracht.« Lauren
ließ sich auf dem Stuhl neben dem Bett nieder und ergriff die Hand ihrer Schwester. »Das ist Jason, ein Freund von mir.«
Lauren hatte bereits angekündigt, dass sie seinen Nachnamen unterschlagen würde, um Beth nicht aufzuregen.
Jason hatte sich einverstanden erklärt. Für Lauren.
Er ließ Beth nicht aus den Augen.
Sie zeigte keinerlei Reaktion auf die Worte ihrer Schwester, sondern starrte weiter geradeaus auf einen unsichtbaren Punkt an der gegenüberliegenden Wand, wie Lauren es ihm beschrieben hatte. »Sie blinzelt bloß hin und wieder, das ist alles«, hatte sie gesagt, und es entsprach den Tatsachen.
Was ist das nur für eine Frau, die ein Gebäude voller unschuldiger Menschen in Brand steckt, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen? , fragte er sich unwillkürlich.
Jason hatte selbst erst kürzlich seine Erfahrungen mit diesem Frauentypus gesammelt, der zu allem bereit war, um seinen Willen durchzusetzen. Kristinas Ziel war es gewesen, ihrem Geliebten zu einer Goldmedaille zu verhelfen, und sie hatte Jason manipuliert, um dieses Ziel zu erreichen. Dass er ihr auf den Leim gegangen war, lag daran, dass er mit dem Schwanz gedacht hatte statt mit dem Kopf. Als ehemalige Kunstturnerin hatte sie im Bett über eine Gelenkigkeit verfügt, die jeder Beschreibung spottete. Er hatte Sex mit Liebe verwechselt, und dieser Fehler war ihm zum Verhängnis geworden.
Er verdrängte diese Gedanken und kehrte mit seiner Aufmerksamkeit zu Lauren zurück, die Beth nun liebevoll die Hand streichelte. Schließlich hatte sie ihn gebeten, mitzukommen, damit er sich selbst einen Eindruck vom Zustand ihrer Schwester verschaffen konnte. Er musste zugeben, Beth wirkte äußerst zerbrechlich.
Würde sich daran etwas ändern, wenn sie hier
Weitere Kostenlose Bücher